4. Alltag der Ausbildung
(1920-1933)
Reit-Unterricht
Die mit dem zeitweiligen Weggang Max Reinhardts verbundenen mehrmaligen Wechsel in der Leitung seines Theater-Unternehmens führten dazu, daß Berthold Held ständig mit neuen Chefs verhandeln mußte. Da waren die verschiedenen künstlerischen Direktoren, Felix Hollaender (1920-1923), Karl Rosen (1923-1925), Adolf Edgar Licho (1925-1926), Dr. Robert Klein (1926 bis 1929) und Heinz Herold (1929-1933), deren gute Meinung über die Schule immer wichtig war. Da gab es den geschäftsführenden Direktor Heinz Adamec (1929-1933). Da waren die verschiedenen Verwaltungsdirektoren, Fritz Cassirer, ab 1926 Klemens Herzberg, denen jede Kleinigkeit abgetrotzt werden mußte. Schließlich waren da die Dramaturgen, Arthur Kahane insbesondere, aber auch Dr. Carl Heine, deren Anwesenheit bei Szenen-Abenden oder bei Aufnahmeprüfungen immer wieder erbeten werden mußte.
Dr. Carl Heine
Edmund Reinhardt, der in Berlin verbleibende und im Hintergrund arbeitende oberste Verwaltungschef, war der Schule noch am gewogensten. Dennoch waren Verhandlungen mit ihm stets schwierig. Held beklagte sich: «Lieber Herr Reinhardt! Ich mache immer dieselben Erfahrungen, daß eine mündliche Unterredung, selbst wenn sie auf Ihren Wunsch stattfindet, nie zu einem Resultate führt, weil Sie dauernd abberufen oder telefonisch angerufen werden und demnach nur mit halber Aufmerksamkeit bei der Sache sind und mich alsbald höflich hinauskomplimentieren.» (4.1)
Die Arbeitsbedingungen für Held waren denkbar ungünstig. Am 1.7.1922 wurde der langjährigen Sekretärin und Bürovorsteherin, Annemarie Wertheim, gekündigt, «weil der Betrieb der Schauspielschule eingeschränkt werden muß und die Dotierung dieses Postens nicht mehr gestattet.» (4.2) Unter den Bedingungen der Einschränkung als Folge der Inflation und angesichts der Unsicherheiten in der Leitung der Reinhardt-Bühnen war Held offenbar darauf bedacht, ein stabiles Verhältnis zum Deutschen Theater herzustellen. Mit Schreiben vom 18. Oktober 1922 (4.3) bestätigte er der Direktion, mit dem damaligen Verwaltungsdirektor Rosen eine Vereinbarung getroffen zu haben, zu deren Grundsätzen gehörte:
— Infolge eines Umbaus
der 1. Etage des Hauses der Kammerspiele steht die Probebühne täglich nur
nachmittags zur Verfügung. Einmal im Monat kann ein Szenenabend stattfinden.
— Die Schüler der
Schauspielschule stehen dem Deutschen Theater zur Mitwirkung in allen
Vorstellungen zur Verfügung, die Anforderung durch das Besetzungsbüro und die
Rollenverteilung sollen aber nicht direkt, sondern durch die Schulleitung
erfolgen.
— Die Theaterleitung
wird in allen Fällen, wo Statisterie gebraucht wird, den Schülern der Schule
den Vorrang geben, so daß diesen im Interesse der Schulerhaltung eine dauernde
Beschäftigung gewährleistet werden kann.
- Die bisherigen
Vergünstigungen des Generalprobenbesuches und des Besuches der Vorstellungen
nach Maßgabe des Raumes bleiben den Schülern erhalten. Die Schulleitung
betrachtet die Kenntnis des Darstellungsstils des eigenen Theaters als
wichtiges Erziehungsmittel.
In diesem Theater hatte sich Direktor Felix
Hollaender mittlerweile auf die Nachkriegsentwicklung eingestellt, hatte
gehandelt wie auch andere Theaterdirektoren in Berlin. «Sie brauchten zu
allererst volle Häuser», schreibt Bernhard Reich. «Selbst die
Reinhardt-Bühnen... erhoben den Kompromiß zum Betriebsprinzip, und ihr damaliger
Direktor, Felix Hollaender, schämte sich nicht einmal.» (4.4) Die Abkehr vom
Bildungstheater war in Berlin begleitet von der Entwicklung des Großen
Schauspielhauses zum Revuetheater, wo unter Eric Charell Ballett und Jazz
triumphierten.
Fecht-Unterricht
Anmerkungen:
4.1
Brief v. Berthold Held an Edmund Reinhardt v. 29.3.1929, HS-Archiv,
Bl. 523
4.2 HS-Archiv,
Bl. 662 Zurück
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4.3 Brief v.
Berthold Held an d. Direktion des Deutschen
Theaters v. 18.10.1922, HS-Archiv, Bl. 606
4.4 Bernhard
Reich, a.a.O., S. 91
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Beine der Mädchen“
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