5. In dunkler Zeit (1933-1945)

 

 

 

 

5.2  Die Szenenabende

Die an der Schule entstandene Tradition wurde beibehalten, gearbeitete Szenen abends vor geladenem Publikum vorzuspielen. Zu den Gästen zählten nicht nur Angehörige der jeweiligen Schüler, sondern auch Mitglieder des Deutschen Theaters. Gerhard Meyer, 1935/37 Student der Schule (nach 1945 Intendant in Potsdam und Generalintendant der Städtischen Theater Karl-Marx-Stadt), erinnert sich: «Die Szenenstudien wurden jeweils

 

meyer,gerhard

Gerhard Meyer

 

mit einem öffentlichen Szenenabend in der Schule beendet. Unter den Zuschauern befanden sich neben der Schulleitung sehr viele wirklich prominente Schauspieler vor allem des Deutschen Theaters; zum Beispiel weiß ich, daß Gertrud Eysoldt, Siegfried Breuer, Heinz Hilpert, Luise Ullrich, Angela Sallocker, Heinz Rühmann und andere Gäste waren(5.15)

Zur Aufbesserung der Schulfinanzen wurde Unterstützung erwartet, jedenfalls geht das aus einem Schreiben hervor, das Woldemar Runge an die Direktion des Deutschen Theaters richtete: «Während des Umbaus der Kammerspiele mußte die Schule auf die Veranstaltung geplanter drei Szenenabende leider verzichten, wodurch die Schule einen Schaden von RM 50,- (i.W.: fünfzig) je Abend erlitten hat. Ich bitte höflichst, mir diesen Ausfall von RM 150,- (i.W.: einhundertfünfzig) erstatten zu wollen...» (5.16)

Die Szenenabende wurden möglich, weil in einem Zeitraum von ein bis zwei Monaten unterschiedliche Szenen aus Stücken der Weltdramatik einstudiert wurden, und zwar von verschiedenen Pädagogen. Das heißt für die Ausbildungsmethode: Der Schüler hatte nicht zwei Jahre bei demselben Lehrer Unterricht, sondern bei wechselnden Pädagogen, und mußte lernen, sich auf deren Auffassungen und Methoden einzustellen.

Über eine zwar äußerliche, aber doch wohl spürbare Einengung berichtet Gerhard Meyer: «Uns war nicht die Möglichkeit gegeben, zu den Szenenabenden irgendwelche Kostüme zu tragen oder aus dem Theaterfundus auszuleihen. Wir waren alle verpflichtet, eine einheitliche Kleidung zu tragen. Sie bestand für die Mädchen aus schwarzen Pullis und langen schwarzen Röcken und für uns Jungen aus schwarzen Hosen (gleiches Material wie die Mädchenröcke) und schwarzen Blusen.» (5.17) Nun mag dies keiner skurril künstlerischen Forderung geschuldet gewesen sein, sondern einfach dem Umstand, daß Kostüme nicht so ohne weiteres beim Deutschen Theater ausgeliehen werden konnten. Allerdings belegen zahllose Bittschreiben ans Deutsche Theater, daß es üblich war, für Szenenabende bestimmte Requisiten zur Verfügung gestellt zu bekommen. (5.18)

Aus den Programmzetteln der Szenenabende (5.19) läßt sich ablesen, daß um die Bewahrung humanistischer Werte gerungen wurde, andererseits Zugeständnisse nicht zu umgehen waren, 1932 dominieren Shakespeare und Schiller, auch Büchner ist vertreten, Goethe, Moliere, Tschechow, Hauptmann, Kleist. 1939 überwiegen ebenfalls Shakespeare und Schiller, gespielt werden Lessing, Goethe, Hebbel, Hauptmann. Aber da tauchen auch «Der Einsame» und «Schlageter» von Hanns Johst auf, zwei nazistische Tendenzstücke übler Machart.

Zu den Lehrkräften gehörten in jenen Jahren Heinz D. Kenter, Regisseur an der Volksbühne, Richard Gerner, Franz Sondinger, Paul Günther, Lotte Siemers, Heiner Mey und Eggert Storm.

 

 

 

 

Anmerkungen:

 

 

5.15    HS-Archiv, Bl. B 51

5.16    Brief v. Woldemar Runge an Adalbert Pontow v. 13.3.1937, HS-Archiv, Bl. 254    Zurück zum Text

5.17    HS-Archiv, Bl. B 69    Zurück zum Text

5.18    HS-Archiv, u.a. Bl. 247, 248, 249, 252, 253

5.19    HS-Archiv, Bl. 120, 124, 129, 138, 143, 148, 203, 204, 209, 210,214, 219,223,228, 232    Zurück zum Text

 

 

 

 

 

 

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