9. Die Herausforderung Brecht  (1962 – 1975)

 

waschinsky

Peter Waschinsky

 

 

9.14  Fachrichtung Puppenspiel

Schon Ende der sechziger Jahre hatte eine kleine Gruppe von interessierten Studenten ein Studium als Puppenspieler aufgenommen. Unter fürsorglicher Leitung von Heinz Hellmich, einem erfahrenen Schauspieler und Pädagogen, wurde mit ihnen gemeinsam ausprobiert, welche Fachinhalte für Puppenspieler gelehrt werden müssten. Die Schule reagierte mit diesem «Pilot-Versuch» auf den wachsenden Bedarf in der Deutschen Demokratischen Republik, wo zahlreiche Puppentheater entstanden waren und ausgebildete Puppenspieler fehlten. Da diese Schüler aber zwangsläufig noch vorrangig ein Schauspielstudium absolvieren mussten, das Puppentheater noch wenig durchgesetzt und dessen Perspektive ungewiss schien, entschieden sich damals einige Absolventen letztlich für den Schauspielerberuf, zum Beispiel Anne-Else Paetzold und Matthias Günther. Ihrer ursprünglichen Berufsentscheidung treu blieben Doris Fülle, Werner Hennrich und Peter Waschinsky.

Wie auch immer - der wachsende Bedarf führte zur Entscheidung des Ministeriums für Kultur, eine Fachrichtung Puppenspiel einzurichten. Für die Leitung in dieser ausgesprochenen Pionierzeit wurde die Schauspielerin Annemarie Esper gewonnen. Der Studienbetrieb begann 1971. Zunächst wurden nur alle zwei Jahre Studenten aufgenommen. Im August 1972 wurde Hartmut Lorenz, Absolvent der Akademie für musische Künste Prag, wo er eine Puppenspieler-Ausbildung erhielt, zum Fachrichtungsleiter berufen. Mit Ausdauer und viel Initiative verstand er es, in Zusammenarbeit mit der Schulleitung auch die materiellen Bedingungen für die Ausbildung Schritt für Schritt zu verbessern. Ein ehemaliges Wohnhaus, an der Spree gelegen, bisher als Studentenwohnheim genutzt, wurde zum «Puppenheim» umfunktioniert. Aus einem alten, verkommenen Garagentrakt entstand unter Mithilfe der Lehrkräfte und der Studenten eine Probebühne. Im Zuge dieser Verbesserungen der Ausbildungsbedingungen konnte 1977 dazu übergegangen werden, jährlich Studenten aufzunehmen.

An der Fachrichtung hat noch Carl Schröder unterrichtet, der Altmeister deutschen Puppentheaters. Hier war Sergej Obraszow zu Gast. Aus Prag kam mehrfach Jan Dvorak, Professor an der Akademie der musischen Künste. Inzwischen ist das hohe Niveau der Ausbildung allgemein anerkannt. Die Absolventen gehen — ausgerüstet mit den verschiedenen Puppentechniken - als junge Künstler in die Praxis, die gewillt und auch fähig sind, ihre eigene Handschrift zu schreiben. Sie kopieren und kolportieren nicht irgendeinen an der Schule eingeübten Spielkodex, sondern sind immer auf der Suche nach für das Puppentheater geeigneten Stoffen und gemäßer artifizieller Umsetzung in die Sprache des Puppenspiels. So kommt es zu immer wieder neuen, das Puppentheater belebenden Spielangeboten.

Zu den Absolventen der frühen Jahre gehören: Kornelia Eulert, Tanja Hauser, Irene Winter, Michael Max Ebert, Wieland Jagodzinski (ursprünglich am Puppentheater Berlin); Marlis Hirche, Monika Parthier, Helmut Parthier (ursprünglich am Puppentheater Neubrandenburg); Marcella v. Jan, Steffi Wiesemeier, Jochen Haferburg (am Puppentheater Gera). Ab 1982 war Peter Schreiber der Leiter des Bereiches. Zu den Lehrkräften gehörten Ute Brieske, Waltraud Dießner, Ute Kremke, Hartmut Lorenz, Ulrike Mierau, Karl-Ludwig Otto, Monika Seerig und Andrea Schulze.

 

Eine Stadt wie Gera hat sich ihr Puppentheater erhalten, Berlin und Neubrandenburg hingegen strichen die finanziellen Mittel. Die Künstler – ständig mit einem Bein in der Arbeitslosigkeit - behaupten sich mit Erfindungsgeist. Marlis Hirche gründete das Feuerwerktheater Berlin, Monika und Helmut Parthier das Puppentheater Parthier im Figurentheater Grashüpfer im Berliner Treptower Park, Tanja Hauser die Popelbühne in Berlin-Prenzlauer Berg, Irene Winter das Weite Theater in Berlin, Michael Max Ebert die Stabfigurencompany in Berlin (2004, 2005, 2006 und 2007 erfolgreiche Gastspiele beim Internationalen Theaterfestival von Geochang in Südkorea; auf Einladung des Goethe-Instituts 2006 in Ägypten und 2008 in China), Annette Wurbs das Theater Handgemenge. Werner Hennrich, einst am Theater Zinnober, engagiert sich am Theater ohne Namen. Peter Waschinsky, inzwischen Puppenspieler von nationalem Rang, tritt vorwiegend im Hackeschen Hoftheater Berlin auf und feierte jüngst einen Erfolg mit der „wahren Geschichte“ von Max und Moritz.

 

 

 

 

 

 

 

 

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