7. Die Staatliche Schauspielschule (1951)

 

 

 

 

 

7.3  Parteinahme für die Sache der Arbeit

 

Mit der Loslösung der Schauspielschule vom Deutschen Theater und der ihr zugesprochenen Eigenständigkeit war verwirklicht worden, was Eduard Devrient und nach ihm auch andere vorausschauende Theaterleute immer wieder gefordert hatten, nämlich eine zwar selbständige, aber staatlich finanzierte und von progressivem Interesse getragene Schauspielschule. Dieses Interesse hatte Johannes R. Becher im Mai 1951 zum Ausdruck gebracht, als er sagte: „... es ist... eine lebenswichtige Frage für die Existenz unserer Kultur, ob es gelingt, einen Nachwuchs heranzuziehen, der imstande ist, schon in absehbarer Zeit die Hinterlassenschaft, das Vermächtnis vorhergegangener Generationen zu übernehmen und weiterzuentwickeln.“ (7.22) Die von Becher geforderte Entwicklung hatte gegenüber 1945/49 neue Voraussetzungen, und zwar die erreichte soziale Basis, bestehend aus der volkseigenen Industrie und der von den Junkern befreiten Landwirtschaft.

Indessen führte die Spaltung Deutschlands zu unvorhergesehenen Widersprüchen. Noch immer strebten die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik in Befolgung des Potsdamer Abkommens nach einem einheitlichen Deutschland. Aber Ministerpräsident Otto Grotewohl musste 1951 in einer Rede im Hüttenkombinat Ost feststellen: «Unser Vorschlag auf Beratungen zur Einberufung eines Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates ist, wie Sie alle wissen, von der Bonner Regierung und vom Bundestag abgelehnt worden.» (7.23) Mit dieser erneuten Bonner Absage war einmal mehr deutlich geworden, dass westdeutschen Politikern die Restauration der Monopole und die Remilitarisierung wichtiger waren als die „Brüder und Schwestern“ im deutschen Osten. Angesichts dieser Lage blieb keine andere Wahl, als Schritte zur Stabilisierung der ebenso jungen wie neuen Sozialordnung einzuleiten, wobei Kultur und Kunst nicht ausgeklammert werden durften. Zugzwänge entstanden, Entscheidungen wurden forciert. «Der Kulturschaffende muß sich entscheiden. Er kann nicht mehr zwischen den Lagern stehen, wenn er wirken will», erklärte Otto Grotewohl. «Das heißt, das Volk verlangt von seinen Künstlern Parteinahme für seine Sache, Parteinahme für die Sache der Arbeit, denn die Sache der Arbeit ist die Sache der Kultur...» (7.24) Dieses Leitmotiv galt auch für Erziehung und Ausbildung des künstlerischen Nachwuchses.

Zunächst wurde ein Studienplan für die neuen Fachschulen ausgearbeitet und im August 1951 auf Konferenzen der Studienplankommission beraten. Die Aufnahme an einer der Staatlichen Schauspielschulen sollte vom «Bestehen einer Begabtenprüfung» abhängen. «Voraussetzung zur Zulassung zu dieser Prüfung ist das vollendete 18. Lebensjahr bei männlichen Bewerbern, das vollendete 17. Lebensjahr bei den weiblichen Bewerbern. Außer der Fachprüfung wird noch Gegenwartskunde und Allgemeinbildung geprüft. Bei der Prüfung sind Rollenteile aus klassischen und modernen Dramen und evtl. gestellte schauspielerische Stegreifaufgaben vorzuspielen.» (7.25) Vorgesehen wurden Zwischenprüfungen am Ende eines jeden Schuljahres.

Zu einer Polemik kam es zwischen der Kunstkommission und dem Innenministerium, von wo gefordert wurde, das Fach Gesellschaftswissenschaft nach dem Rahmenlehrplan für Fachschulen durchzuführen. Das hätte nicht vier, sondern sieben Stunden wöchentlich bedeutet. Ein Herr Menzel von der Kunstkommission entgegnete: «Richtig muß es sein, daß der Fachunterricht durch die wissenschaftliche Ausbildung vorbereitet und unterstützt wird. Es kommt nicht darauf an, daß die Schüler eine bestimmte Menge gesellschaftswissenschaftlichen Lehrstoff auswendig lernen und ihn bei der Prüfung daherplappern können, sondern daß sie in der Lage sind, die Erkenntnisse der marxistisch-leninistischen Wissenschaft auf den Beruf anzuwenden.» (7.26) Die Ansicht der Kunstkommission setzte sich durch.

 

 

 

Anmerkungen:

 

 

7.22                         Johannes R. Becher, Wir wollen uns an einen Tisch setzen, Referat auf d. 1. Gesamtdeutschen Kulturkongreß in Leipzig, in: Theater der Zeit, Berlin 1951, Heft 8, S. 4    Zurück zum Text

7.23                         Otto Grotewohl, Gesamtdeutsche Beratung sichert Frieden und Einheit, Rede im Hüttenkombinat Ost, in: Tägl. Rundschau, Berlin 20.9.1951    Zurück zum Text

7.24                         Otto Grotewohl, Die Eroberung der Kultur beginnt, Rede zur Berufung d. Staatl. Kommission f. Kunstangelegenheiten in: Tägl. Rundschau, Berlin 1.9.1951    Zurück zum Text

7.25                         Der Studienplankommission gehörten an: «Prof. Dr. Modes, Leiter der Staatl. Schauspielsch. in Leipzig; Herr Dierichs, Leit. d. Staatl. Schauspielsch. Berlin; Prof. 0. Lang, Dir. d. Deutsch. Theaterinstit. Weimar; Prof. Dr. 0. Gaillard, Leit. d. Schauspielabt.; Herr Menzel, St. Komm. f. Kunstangelegenh.; Herr Erpenbeck. Staatl. Komm. f. Kunstangelegenh.; Herr Dudow, Reg. d. DEFA; Herr Dr. Maetzig, Reg. d. DEFA; Herr Kepich, Lehrer an d. Staatl. Schauspielsch. Berl.; Frau Kepich-Overbeck, Lehrerin an d. Staatl. Schauspielsch. Berl.; Herr Kutschera, Schausp. am Th. am Schiffbauerdamm u. Lehrer an d. Staatl. Schauspielsch. Berlin.» in: Studienpl. f. d. Fachrichtung: Schauspieler, Archiv M.f.K.; Sign. Nr. 996/2    Zurück zum Text

7.26                         Erläuterung zu d. Studienplänen d. Schauspielsch. Berlin und Leipzig v. 17.8.1951, Archiv M.f.K., Sign. Nr. 996/2    Zurück zum Text

 

 

 

 

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