11. Die Hochschule (1981)
11.1 Ein Festakt
Nicht auf den Tag genau, so doch genau drei Jahrzehnte
nach der Umwandlung der Schauspielschule des Deutschen Theaters in die Staatliche
Schauspielschule Berlin erfolgte die Bildung der Hochschule für Schauspielkunst
«Ernst Busch» Berlin. Das festliche Ereignis fiel zusammen mit der
Inbesitznahme des Neubaus, das heißt des ersten Bauabschnittes des
rekonstruierten und erweiterten Schulgebäudes.
Zunächst zur Eröffnung des Studienjahres 1981/82 und also
zur Immatrikulation der ersten Studenten, die ein Hochschulstudium absolvieren
würden, sagte Prof. Hans-Peter Minetti am 7. September 1981:
«Daß wir Hochschule werden (im Grunde schon sind), hat
sich herumgesprochen, ist von uns (wenn auch zuletzt mehr mit halber Kraft)
vorbereitet worden... mit halber Kraft nur deshalb, weil das "grüne
Licht" erst spät gegeben wurde und wir — als "erfahrene
sozialistische Realisten" — auf alles, d.h. auch auf alles andere gefaßt
sein mußten.
Aber nach sehr kurzer, klarer Debatte, in der uns viel
Mut gemacht wurde, hat am 22. Juli das Sekretariat des Zentralkomitees und
unmittelbar danach das Präsidium des Ministerrates beschlossen, daß unsere
Schule mit Wirkung vom 1. September umgewandelt wird in die Hochschule für
Schauspielkunst "Ernst Busch" Berlin. Das bedeutet ebenso viel
Anerkennung, ebenso viel Vertrauen uns allen gegenüber wie auch Dank und
Schuldigkeit unsererseits. Davon wird noch viel zu reden und davon wird mehr zu
realisieren sein!
Diese Umwandlung, die am 21. September offiziell erfolgen
soll, darf kein bloßer Namens-Tausch werden. Sie hat vielmehr weitgehende
Konsequenzen, vor allem für die Qualität des Studiums, allerdings auch für die
Quantität, d.h. auch für die Dauer des Studiums. Durch den Beschluss, der die
Rostocker Schauspielschule unserer Hochschule als Außenstelle angliedert,
werden das Schauspiel-Studium und das Studium des Puppenspiels in der DDR
generell, d.h. ohne jede Ausnahme, zu einem Hochschul-Studium mit künftig
vierjähriger Dauer. Das ist gut, und das ist nötig...
Es ist wahrscheinlich bekannt, daß ich, als ich an diese
Schule kam, keineswegs ein Verfechter eines vierjährigen Studiums war, im
Gegenteil — ich war der Meinung, daß ein künftiger Schauspieler in einem ersten
Jahr am Theater mehr lernen könnte als in einem vierten Jahr an der Schule.
Weil ich aber in einem auch für mich bewegten, widerspruchsvollen
"Lern-Prozeß" Einsicht in Notwendigkeiten habe aufbringen und dann
darüber hinaus gar noch ein Vorkämpfer für den Hochschul-Status (und damit auch
für ein viertes Studienjahr) habe werden müssen... weil ich derart also von
einem Saulus zum Paulus ummoduliert worden bin, bin ich nun wiederum womöglich
der Geeignetste, dem neuen 1. Studienjahr zu versichern, daß ein vierjähriges
Studium zu allererst im Interesse der Studenten liegen soll...
Ihr müßt letzten Endes die Bürgen werden dafür, daß die
Entscheidung richtig war, Ihr müßt Euch auch verbürgen können dafür, daß diese
Hochschule auf den Namen "Ernst Busch" Anspruch erheben darf, auf den
Namen, auf das Beispiel "Ernst Busch". Das ist unglaublich viel, das
scheint zunächst gar nicht einlösbar - aber Vorbilder taugen schließlich nur,
wenn sie nicht lahmen, entmutigen, nicht "sterile Ehrfurcht", nicht
Anbetung auslösen, sondern, wenn sie Lust wecken, sich dem Vorbild zu stellen,
sich an ihm und auch mit ihm zu messen...» (11.1)
Zum Festakt vierzehn Tage später, am 21. September 1981,
konnten Schulleitung, Lehrkräfte, Studenten und Mitarbeiter im Foyer des
Neubaues prominente Gäste begrüßen, unter ihnen Egon Krenz, Kurt Hager, Prof.
Hans-Joachim Böhme und Hans-Joachim Hoffmann. Besonders herzlich begrüßt wurde
Irene Busch, die Witwe Ernst Buschs, mit ihrem Sohn.
Hans-Joachim Hoffmann, Minister für Kultur, sprach zur Geschichte
der Schule, würdigte ihre Verdienste und begründete die Umbildung zur
Hochschule. Prof. Hans-Joachim Böhme, der Minister für Hoch- und
Fachschulwesen, vollzog die Umbildung. Er berief Prof. Hans-Peter Minetti zum
Rektor und verlieh der Schule das Recht, künftig Diplom-Schauspieler und
-Puppenspieler in die Praxis zu entlassen.
Die symbolische Schlüsselübergabe für das neue Haus durch
einen Vertreter des VEB Bau Grimmen war ein weiterer Höhepunkt des Festaktes.
In einer prononciert «kurze Erwiderung und Dank» genannten Rede bedankte sich
der soeben berufene Rektor herzlich bei allen Anwesenden, insbesondere aber bei
jenen, «die immer und jederzeit (auf oft verzweifelte Hilferufe) für uns da
waren...» (11.2)
Anmerkungen:
11.1 Hans-Peter Minetti, Rede zur
Immatrikulation 1981, Archiv Minetti Zurück zum Text
11.2 Hans-Peter Minetti, Kurze Erwiderung und
Dank, Rede auf dem Festakt am 21.9.1981, Archiv Minetti Zurück zum Text
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