5.
In dunkler Zeit (1933 – 1945)
Szenenstudium
bei Claus Clausen (2.v.r.)
5.7 «Brutstätte staatspolitisch zweifelhafter
Elemente»
Da Heinz Hilpert nach wie vor die
Oberaufsicht über die Schule hatte, die außerhalb des Deutschen
Theaters in der «Tribüne» überdies ein Eigenleben
führte, startete das Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda im
Januar 1943 einen zweiten Versuch, die Schauspielschule des Deutschen Theaters
zu liquidieren.
Auf einer Besprechung erkundigte sich Goebbels bei seinem
Stab zunächst nach der Theaterschule Ackermann, die er ein Bordell nannte. Dr.
Schlösser «erklärte, die Schule zu kennen, die sich deswegen früher eines
fördernden Interesses von der Seite der Abteilung erfreut hätte, weil ihre künstlerischen
Ergebnisse unfraglich gut gewesen wären, so sei beispielsweise Gisela Uhlen und
wie der Herr Minister selbst festgestellt hätte, Kristina
Söderbaum aus ihr hervorgegangen.» (5.60) Im Verlaufe
der sich anschließenden Erörterung behauptete Ministerialdirektor Hinkel, «daß
auch die Schule des Deutschen Theaters unter Werner-Kahle eine rechte
Brutstätte staatspolitisch zweifelhafter Elemente sei...» (5.61)
Im Ergebnis der Beratung forderte Goebbels «eine
Bereinigung», welcher Schlösser zustimmte, denn er brauche Schulen, «bei denen
womöglich nicht alle idealistische Erziehungsarbeit binnen kürzester Frist in
Scherben geht». (5.62) Vorgesehen wurde «die Straffung
und Zusammenziehung der Schauspiel- und Sänger-Ausbildungsinstitute in Berlin» (5.63) unter Leitung einer den Nazis genehmen und noch zu
suchenden Person.
Auftragsgemäß fertigte Hinkel noch im Januar 1943 unter
Auslassung der Schule des Staatstheaters eine Liste der in Frage kommenden
Schulen: Schule des Deutschen Theaters («Schule wird als gut bezeichnet»), (5.64) Ausbildungsanstalt Frau Lilly Ackermann
(«Die Schule ist als gut zu bezeichnen»), (5.65)
Schule Hellmuth Bergemann («Die Schule gab kürzlich zu nennenswerten
Beanstandungen Anlaß»), (5.66) Bühnenstudio Hans
Schultze («... gewisse Schematisierungen in der Ausbildung...»), (5.67) Schauspielunterricht Werner Kepich («Die Resultate
der Schule sind als gut zu bezeichnen»), (5.68)
Schauspielschule Frau Lyda Wegener («Die Resultate der Schule sind
vorherrschend als gut zu bezeichnen»). (5.69) Es wurde
veranlaßt, eine Sichtung dieser Schulen vorzunehmen.
Aber schon einen Monat später wurde erwogen, «alle
Schauspielschulen bzw. Musikschulen vorerst stillzulegen». (5.70)
Und im September 1943 beklagte sich die Theaterabteilung: «Bekanntlich hat der
Reichserziehungsminister in einem Rundschreiben mitgeteilt, daß die von uns
verfügte Aufnahmesperre bis 31. März 1944 für die dem Reichserziehungsminister
unterstehenden Theaterakademien und Hochschulen nicht gilt.» (5.71) Mithin: Die nationalsozialistische Exekutive war
bereits in Auflösung begriffen.
Mit dieser Auslassung endeten die Versuche des
Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, sich mit Theaterschulen
in Berlin zu befassen. 1944 wurden Theater und Schulen geschlossen.
Anmerkungen:
5.60 Zentrales Staatsarchiv Potsdam, Promi, Akte-Nr. 116, Bd.
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5.61 Ebenda
5.62 Ebenda
5.63 Ebenda
5.64 Ebenda, Bl. 19
5.65 Ebenda
5.66 Ebenda Zurück zum
Text
5.67 Ebenda, Bl.
20
5.68 Ebenda
5.69 Ebenda
5.70 Ebenda, Bl.
26
5.71 Ebenda, Bl.
28 Zurück
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