„Weiberkomödie“
von Heiner Müller am Schauspiel Leipzig, Regie Thomas Bischoff
„Der Mensch denkt nur an sich selbst. Er ist, wenn ich ihn in das Verhältnis zu seiner Umwelt stelle, die Inkarnation des Bösen.“ Solch unerbittliche Floskel ist das ideologische Credo, mit dem Regisseur Thomas Bischoff laut »Süddeutscher Zeitung« auf der Bühne »finstere Welten« entwirft. Womit er möglicherweise bedrückend wahr ist. Der junge Mann des Jahrgangs 1957 hat's jedenfalls bereits an Theatern in Parchim, Halle, Köln, Mainz, München und Düsseldorf exerziert. In Leipzig bekam er 1998 die »Weiberkomödie« in die Hand.
Das
Stück aus den 60er Jahren, das Heiner Müller aus dem Hörspiel »Die Weiberbrigade«
seiner Frau gebaut hatte, hielt der Autor für einen Schwank, und zwar mit einem
»Text auf dem Niveau einer Art (sozialistischer) Bierzeitung«. Was den simplen
Vorgängen akkurat entsprach.
Jenny Nagle, eine vitale Frau, Bestarbeiterin,
Brigadierin, badet nackt im Baggerteich. Womit sie sich Ärger einhandelt. Doch
sie bringt die Männer aus noch triftigerem Grund in Rage. Sie will nämlich mit
ihrer Frauen-Brigade tun, was bisher nur den Männern vorbehalten war: einen Kran montieren. Es geht rauh zu in dem
Stück, drastisch und lebenskräftig wie halt üblich bei Proleten. Emanzipation
der Frau pur, Fallbeispiel eines widersprüchlichen historischen Prozesses.
Daß der
soziale Auf- und Umbruch für die Frauen verheißungsvoll war, was beide Müller
damals undogmatisch einfingen, darf heutzutage natürlich nicht mehr zugestanden
werden. Schon gar nicht mehr darf die Dämlichkeit der um ihre Allmacht fürchtenden
Männer verlacht werden. Insofern war Thomas Bischoff der rechte Regisseur. Der
anerkannte Verfinsterer der Welt ist in Sachen DDR kein »Vergangenheits-Verklärer«,
im Gegenteil, er verputzte Müller, um dem Publikum - wie die »Mitteldeutsche
Zeitung« zufrieden feststellte - »die emotionale Kälte im östlichen
Nachkriegs-Deutschland« noch einmal spüren zu lassen. Das heißt, er färbte das
Stück in den tristen Farben ein, mit denen die Medien heutzutage
Meinungsbildung zu betreiben pflegen.
Wie erzeugt man emotionale Kälte im östlichen Nachkriegs-Deutschland? Vor allem läßt man Frauen wie Männer auf der Bühne nicht wie normale Menschen handeln. Man steckt sie in einen schwarzen Kasten (Bühnenbild Uta Kala) und führt sie a priori als irgendwie umschattete Wesen vor. Sie tragen uniforme Arbeitsklamotten, marschieren diszipliniert auf und ab und nehmen zwecks melancholisch-pathetischer Rede steif Pose ein. Die Frauen erscheinen auch mal in fahlbunten Einheitskleidern aus dem Konsum, haben aber grundsätzlich frustverhärtete Gesichter zur Schau zu stellen. Parteisekretär und Kaderleiter dürfen schnieke Anzüge tragen. So entsteht ein Pseudo-Agitprop-Verschnitt über verbittert lebenslahme Leute in tiefer ostdeutscher Provinz.
Weil solch wahrheitswidrige Zelebration ganz und gar nicht lustig
ist, geschweige denn die eigentliche Komik des Stückes bedient, spaßt der
Regisseur mit läppischen Mitteln. Er läßt verzögert sprechen und Artikel wie
»die«, »der« oder »ein« sprachlich widersinnig betonen, welche Manier für
Lach-Effekte sorgt und für den Moment verblüfft, sich als kabarettistischer Gag
aber alsbald verbraucht. Übrig bleibt ein entseelter Text.
Neues Deutschland,
26. Mai 1999