„Trommeln in der Nacht“ von Bertolt Brecht am
Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin, Regie Christoph Schroth
Ein falscher Prolet wird entlarvt
Das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin
gastierte zu den Berliner Festtagen mit Bertolt Brechts früher Komödie
„Trommeln in der Nacht". Die Inszenierung ist die DDR-Erstaufführung.
Lange Zeit also war umstritten, ob das Stück des Zwanzigjährigen, kurz nach der
Novemberrevolution geschrieben, unseren Spielplänen wiedergewonnen werden
könnte. Regisseur Christoph Schroth nun entdeckt uns den proletarischen Stürmer
und Dränger Brecht, den jungen Dramatiker, der den „O-Mensch"-Aufschrei
des Expressionismus mit Leidenschaft aufgriff und zugleich sozialkritisch
sezierte. Mitempfinden mit dem Soldaten Andreas Kragler, der nach dem ersten
Weltkrieg heimkehrt und seine Verlobte in den Händen eines Schiebers findet.
Kritik am Verhalten Kraglers, der wegen seiner treulosen Anna eine kurze
revolutionäre Stunde hat und sich flugs, wenn die Geliebte zu ihm zurückkehrt,
von der Revolution lossagt. Es ist dies jener „fatale Typus des
Sozialdemokraten", nennt ihn Brecht, der schwer als „falscher
Proletarier" zu erkennen ist. Brecht kam es darauf an, diesen Typ zu
entlarven, leidenschaftlich, kompromißlos. Schroth tut alles, um die
Zwielichtigkeit des Kragler schaubar zu machen, ihn über die Komödie zu
erledigen. Bemerkenswert dabei, daß nicht direkt auf die expressiven Texte
zugegangen, sondern stets die psychologische Motivation der Figuren gesucht und
gespielt wird. So gerät die gestisch-sprachliche Expressivität, die hier nötig
ist, nie äußerlich und aufgesetzt, sondern genau, stimmig und differenziert. Zu
nennen sind Cornelia Heyse als Anna Balicke, Heinrich Schmidt als Karl und Lore
Tappe als Amalie Balicke sowie Axel Werner als Murk. Wolf-Dieter Lingk gibt
intensiv die Verwirrung des Kragler, dann die wilde Revoluzzerei des
Kleinbürgers und schließlich dessen beschauliche Rückkehr aufs heimische
Kanapee, das von Ezio Tuffolutti (Ausstattung) hingebaut ist wie eine thronende
kleinbürgerliche Feste inmitten der Wirren
der Zeit.
Junge Welt, 20. Oktober 1982