„Vogtländische Trilogie“ von Christian Martin im theater
89 Berlin, Regie Hans-Joachim Frank
Stationen einer jungen Ehe
Meldet sich ein vogtländischer Xaver Kroetz zu Wort? Dramaturgie und naturalistische Dialoge der „Vogtländischen Trilogie" von Christian Martin, jetzt im Berliner theater 89 vorgestellt, erinnern an die Volksstücke des Bayern. Wobei mir die ersten beiden Teile, die „Traumreise" aus den Jahren 1982/83 (als Hörspiel 1989 gesendet) und „Abseits" aus den Jahren 1981/82 (uraufgeführt 1984 in Senftenberg und Leipzig), substantiell am dichtesten erscheinen. Sie geben die Ehe-Stationen zweier junger Leute aus dem Vogtland glaubwürdig wieder, etwas skizzenhaft zwar, doch realistisch pointiert.
Der dritte Teil hingegen, „Golan" genannt (der Titel
steht für „Wüste und Krieg"), 1987/88 als Rohentwurf entstanden und 1990
für die Uraufführung am Staatsschauspiel München umgeschrieben, ist eher ein
Fragment, einfach eine Behauptung, eine Deklaration. Sandy, die junge Frau, macht
unliebsame, schier unglaubliche Erfahrungen mit Organen ihres Staates, dann
erlebt sie die Wende und wird arbeitslos. Ziel- und hoffnungslos balanciert
die ehemalige Sportlehrerin auf den Balkonen der Neubauwohnungen im 5. Stock
(„tanz'n möcht' ich, drehn' und drehn' bis in den Himmel 'nein").
Vergebens lockt Andy, ihr Mann, sie mit der Phrase „Alles wird anders!".
Sie springt in den Tod.
Da wäre nur Ratlosigkeit des Zuschauers, kaum tragisches Mitempfinden,
hätte er Sandy und Andy nicht schon vorher kennengelernt, als sie ihre „Traumreise",
ihre Hochzeitsreise nach Sotschi, erleben, oder wenn sie in „Abseits" den
rauhen Alltag ihrer jungen Ehe durchstehen. Er als Fanatiker der
Fußball-Weltmeisterschaft vor der Glotze, sie lieblos behandelt wie eine
Dienstmagd.
Hans-Joachim Frank hat mit bewährt genauer und einfühlsamer Hand Regie
geführt. Auf dem „Spieldeck" seines Theaters, in diesem langgezogenen, eigentlich
kunstunfreundlichen Raum, stellt er das Geschehen oft ziemlich distanziert in
den Hintergrund, was dem freien Umgang mit der Ehe-Geschichte aber dienlich
ist. Matthias Zahlbaum trifft die rüde Gangart des Andy, gut auch dessen
Empfindsamkeiten, wenngleich sein Ausdruckswille sich gelegentlich
verselbständigt. Was er zuviel, hat sie zu wenig. Maria Brendel als sensible
Sandy könnte mimisch kräftiger sein.
Neues
Deutschland, 12. März 1996