„Sommernachtstraum“ von Shakespeare am Deutschen Theater Berlin, Regie Jürgen Gosch

 

 

 

Puck in grüner Turnhose

 

Shakespeares phantastische Märchenkomödie »Ein Sommernachtstraum« einmal wieder am Deutschen Theater in Berlin. Die ansonsten herbe, wenig sinnenfrohe Inszenierung prägen zwei versierte Komödianten: Christian Grashof als Weber Zettel und Jürgen Holtz als Puck. Regisseur Jürgen Gosch, der seine eigene Übersetzung spielt, knüpft bei Alexander Lang an, der 1980 am Hause das Stück entromantisierte, welcher Prozedur damals aller Wald zum Opfer fiel.

Fragwürdig ist das schon, wenn die Figuren angeblich inmitten üppiger Natur agieren, obendrein immer mal wieder das Wort »Wald« im Munde führen, aber nur leerer Raum zu sehen ist. Jürgen Gosch und Bühnenbildner Johannes Schütz glauben, mit kahler Szene auszukommen. Sie kredenzen die »Herrscher«-, »Rüpel«- und Liebhaber-Szenen in einem als Fernsehglotze stilisierten Guckkasten, in dem sich ein großes weißes Viereck bewegt, grün beleuchtet, wenn Wald assoziiert werden soll. Ganz so prosaisch, wie sich das hier liest, ist diese kubistische Erfindung nicht, doch in dem nüchternen Raum sind zumindest die Elfen mit ihren Papierlarven und Nachthemdchen einfach verlorene Geschöpfe.

Kargheit ist angesagt. Unter athenischer Kleidung wird eine streng uniforme Tracht verstanden, die die Liebespaare in weiße Hemden und schwarze Hosen steckt. Das macht sie zu zeitlos schnieken jungen Damen und Herren, die die Verwirrung ihrer Sinne durch Liebe und zusätzlich durch Pucks Übermut sozusagen standesgemäß artig austragen. Leidenschaft zwar, aber von Sinnenlust nur eine Ahnung. Nun ist gewiß zu begrüßen, wenn sich junge Leute nicht gleich ordinär an die Wäsche gehen. Doch ausgerechnet mit Shakespeare moralisieren zu wollen, scheint mir übertrieben. Daß Hermia (Naomi Krauss) und Helena (Solveig Krebs) nicht Bein zeigen dürfen, gehört offenbar zum Konzept, die Träume dieser Sommernacht vor allem rhetorisch schön anzubieten.

Goschs Übersetzung, dramaturgisch gut gestrafft, jede aktuelle Anspielung meidend, ist von volksnaher, simpler Unmittelbarkeit und sucht mit keck komischen Reimen Wirkung. Das funktioniert. Die Wortgefechte der Liebenden gipfeln in bitteren Vorwürfen Helenas, die Hermia überlegen zurückschmettert. Die jungen Männer, Lysander (Thomas Bading) und Demetrius (Thomas Dannemann), halten tapfer mit. Plötzlich hat das den anrührenden Charme in Sachen Liebe hilflos streitender Teenager. Und es vergißt sich - wie das so geht im Leben wie im Traum -, daß alle Irrung anfing, weil ein verliebtes Paar einer unmenschlichen Konvention zu entfliehen suchte.

Für die sommernächtlichen Träume ist vor allem Puck zuständig, dieser kobolzende Waldgeist, hier ein emanzipierter Geselle, der sich von Oberon (Markus Boysen), seinem brutalen Boß, dem urigen König der Elfen, auch mal vermöbeln läßt, wenn schief ging, was ihm Spaß machte. Von diesem herzigen Puck des Jürgen Holtz, einem feisten, nun wirklich sinnenlustigen Naturclown in grüner Badehose, der ständig auf Schabernack sinnt und doch ein grundgütiger Kerl ist, möcht' man schon mal einen Traum eingeträufelt bekommen. Etwa solch einen, von dem Weber Zettel mit unendlicher Verzückung zu berichten weiß. Zwar hat ihm Puck einen Eselskopf verpaßt, aber sonst... Titania, die Königin der Elfen (Katharina Linder), bereitete ihm ein erlesenes Abenteuer der Lust. Zu sehen ist davon nichts, aber Grashofs Zettel schwärmt hingebungsvoll. Im übrigen ist dieser Weber mit einem herrlichen Selbstbewußtsein ausgestattet, so daß es ihn nach allen Rollen drängt und er nicht einmal vor dem Herzog Respekt hat.

Das naiv-possierliche Spiel der offenbar gut situierten Handwerker vor der arroganten Hofgesellschaft bleibt harmloses Gaudi. Bernd Stempel (Squenz), Stephan Grossmann (Flaut), Michael Gerber (Schnauz), Horst Weinheimer (Schnock), Hans Bergermann (Schlucker) und Christian Grashof absolvieren das komische Pensum immerhin nicht mit äußerlicher Hampelei, sondern situativ akkurat.

Die wenigen musikalischen Zutaten, zuständig Elena Chernin, ergänzen mit Harfe, Flöte und Trompete den spröden Reiz der Aufführung. Daß sich Jürgen Gosch dem applaudierenden Premieren-Publikum nicht zeigte, schien auch die Akteure zu überraschen.

 

 

 

Neues Deutschland, 22. Oktober 1997