„The Black rider“ von
Wilson/Waits/Burroughs im Renaissance-Theater Berlin, Regie Ingo Waszerka
Teufelspakt ist Narrenpakt
Das rumst und plärrt in dem alten Gespenster-Märchen, das schreit und säuselt, das jazzt und swingt in originärer musikalischer Mixtur. August Apels und Friedrich Launs Volkssage »Der Freischütz« aus dem Jahre 1810 in einer raffiniert naiven Neufassung der Amerikaner Robert Wilson (Idee), Tom Waits (Musik) und William S. Burroughs (Text). Stelzfuß schmettert brachial, skurrile Förstersleut' singen und hantieren einfältig und ein geheimnisvoller, Zigarre schmauchender Herr in Frack und Zylinder meditiert hintersinnig über den Homo sapiens.
Obwohl das Pop-Musical »The Black Rider« 1990
mit triumphalem Erfolg am Hamburger Thalia-Theater uraufgeführt wurde (Regie
Wilson), zögerten Berliner Bühnen bis heute, sich an dem eigenwilligen Werk zu
versuchen. Jetzt ist das Renaissance-Theater, das tapfer um die Gunst des
Publikums und gegen die Ungunst des Senats kämpft, das Wagnis eingegangen. Mit
schönem Erfolg, wie der begeisterte Premierenbeifall schlußfolgern läßt. Gastregisseur
Ingo Waszerka vom Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin gelang mit einer
engagierten Truppe von Schauspielern und Musikanten (Musikalische Leitung Jo
Bauer) eine erlebenswerte Inszenierung.
Clowneske Fabelwesen stehen für Menschen;
in ausgestopftem Wams, geschmückt mit Mühlsteinkrause, erinnern sie mit putzig
betulichen Bewegungen auch an Marionetten. Sie entfalten einen ganz eigenen
spielerischen Zauber; nicht in einem Forsthaus in romantisch tiefem deutschen
Tann des 17. Jahrhunderts (Bühnenbild Dieter Klaß), sondern in einer großen,
zeitlosen Scheune aus Latten, in welcher die Gestalten wie in einer verwunschenen
Spielkiste aus Falltüren auf- und abtauchen und ihre Szenen wie fröhliche,
etwas irrationale Rituale absolvieren.
Erbförster Kuno (Wolfgang Ostberg) geistert
mit weißer Nachtmütze herum. Förster Bertram (Hannes Granzer) und Frau Anne
(Cordula Gerburg) hüten Tochter Käthchen (Anna Schäfer) streng, verkuppeln sie
aber sofort mit Federfuchser Wilhelm (Andreas Keller), sobald sich
herausstellt, daß er erfolgreich jagen kann. Wofür er sich, so vorsichtig und ängstlich
er ist, auf ein gefährliches Abenteuer eingelassen hat.
»Ein Teufelspakt ist stets ein Narrenpakt«,
hat der geheimnisvolle Herr (Veit Schubert) zwar gewarnt, aber wie das mit heißer
Liebe eben so geht. Jägerbursche Robert (Matthias Bernhold), der Rivale, ist
scharf auf Käthchen, auch Wilhelm will sie freien, und um den Probeschuß zu
bestehen, der Voraussetzung ist für eine Heirat, nimmt er des Stelzfuß verhexte
Freikugeln. »Sechs für dich und eine mir... Deine treffen, meine äffen.« So hat
der einfältige Wilhelm zwar Jagdglück, aber mit dem entscheidenden Schuß trifft
er nicht die Taube, sondern sein Käthchen. Tod. Trauer. Grotesker Abschiedstanz.
Für Besucher, die die Oper »Der Freischütz«
von Carl Maria von Weber nicht kennen, mag die Handlung, zumal oft Englisch
gesprochen wird, nicht so ohne weiteres nachvollziehbar sein. Die Regie hilft
nicht nach, setzt auf die Phantasie der Zuschauer. Die erfreuen sich am Spiel,
etwa wie die Eltern die zögernden Verliebten zueinander schubsen. An Stelzfuß
haben sie ihren besonderen Spaß. Ilja Richter gibt dies Gespenst als einen
gestrengen, etwas steifen Beamten des Teufels, der im Epilog noch einmal alle
Register eines charmanten Dämons zieht.
Neues
Deutschland, 25. März 1998