„Medeia“ des Euripides am Kleist-Theater
Frankfurt/Oder, Regie Andreas Kriegenburg
Tragödie als Parodie
Im Kleist-Theater Frankfurt (Oder) hat der junge Regisseur Andreas Kriegenburg Gelegenheit bekommen, die Tragödie „Medeia" des Euripides als Parodie zu inszenieren. Etwa so, als säßen im Parkett ausgesprochene Kenner, die versessen darauf sind, den antiken Dichter endlich einmal durch eine zeitgenössische Mangel gedreht zu sehen.
Auf torfmulligem Bühnenboden mit
Erdhügel (Ausstattung: Thekla Tesch) stapft der Erzieher (Torsten Ranft) im
Lendenschurz einher und posiert „body". Später darf er sich weibisch
genieren und flennen, nachdem ihm Medeia (Barbara Teuber) indiskret den Rock
hochgehoben hat und arg enttäuscht ist. Mit brennendem Mantelsaum eilt er
herbei, wenn er das Unheil ihrer mörderischen Tat berichtet. Aber keine Sorge,
Feuerwehr! Er springt ins Planschbecken, das auf dem Orchestergraben
installiert ist.
Gelegentlich bedienen die Einfälle die Fabel.
Wenn dem lason (Horst Damm) das riesige Schwert an der Hand festgewachsen scheint,
bekommt das sogar einen aktuellen Akzent, auch, wenn er das Kriegswerkzeug in
die Erde verscharrt. Meist aber stehen die Gags der Tragödie im Wege.
Nur ungefähr und nebenbei wird
sinnfällig, daß sich hier ein schwer gedemütigtes Weib gegen Männergewalt und
-willkür wehrt. Die gauklerisch hantierende Regie — mal mit hauptmannschen
Naturalismen, mal mit beckettscher Absurdität — verballhornt die Geschichte.
Nichts von der Ungeheuerlichkeit des tragischen Vorgangs. Der Vers zur Prosa
neutralisiert. Weder Kraft der Stimmen noch Plastizität der Geste.
Immer wieder Spielerchen. Aus dem
Schnürboden fällt das todbringende Kleid, das Medeia ihrem treulosen Gatten für
dessen neue Frau schenkt. Sie führen darum einen neckischen Ehestreit, ob er
„bitte" sagen kann. Texte von Euripides, von Müller (Medeamaterial) und
von sonstwem. Höhepunkte: „Wer Sorgen hat, hat auch Likör" oder: „Alle
Jungen haben einen kleinen Zinnsoldaten..."
Der Versuch, auf dem Theater das Fernsehen
videoklippig zu überrunden, ist nicht neu. Und es finden sich immer Fans, die
das bejubeln. In Frankfurt(Oder) hielten sie sich zur Premiere noch zurück.
Neues
Deutschland, 22. Februar 1991