Marginalien

zum Handbuch „Schauspielen“

4., bezw. 5. Auflage

 

 

 

 

 

1. Im Vergleich mit Lee Strasberg fällt auf: Der amerikanische Schauspielpädagoge geht auf den Realisten Shakespeare zurück, auf Hamlets Rede an die Schauspieler, auf dessen These »Paßt die Gebärde dem Wort, das Wort der Gebärde an!« Und er postuliert: »Der Schauspieler muß, um lebendig und real zu wirken, auf der Bühne denken.« Daher trainiert Strasberg, wie auch ich es empfehle, die Sinne des angehenden Schauspielers, speziell dessen Fähigkeit, »auf imaginäre Reize zu reagieren wie auf wirkliche Objekte ...« Wie ich fordert Strasberg des weiteren: »Handlung sollte stets mit einem Verb beschrieben werden, nicht mit dem Zustandsinfinitiv >sein<.« In Anlehnung an Stanislawski empfiehlt Strasberg besondere Übungen, um den Schauspieler zu befähigen, »nahezu jegliches Gefühl wiederzubeleben, wenn er es sich selbst befiehlt«. Zu solch gesonderter Gefühls-Akrobatik rate ich nicht.

Der Kern des Unterschiedes: Strasbergs Prämisse lautet: Der Schauspieler »spielt nicht, daß er irgend etwas ist - er ist es«. Meine Prämisse lautet: Der Schauspieler ist nicht, was er zeigt, er spielt es. Das heißt, ich fordere, den objektiven Widerspruch, daß der Schauspieler real spielt und fiktiv mimetisch handelt, produktiv zu machen. Denn kein Schauspieler kann die Figur absolut sein, die er spielt. Das läßt die Natur nicht zu.

2. Eine neuerliche Forschung im Improvisations-Seminar der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« in den Jahren 1991/1992 ergab, daß an dieser Ausbildungsstätte mittlerweile sowohl Pädagogen arbeiten, die den methodischen Standard zu bewahren und zu bereichern suchen, als auch Lehrkräfte, die andere Praktiken vorziehen. Zu dieser Problematik wurde der 4. Auflage das neue Kapitel »Schauspielen 2« hinzugefügt.

3. Den Adepten der Schauspielkunst, die das Handbuch zu Rate ziehen, möchte ich empfehlen: Haben Sie Geduld beim Ausprobieren der hier vorgeschlagenen Arbeitsweise; unter Umständen im stillen oder gar offenen Widerstand gegen Auffassungen und Praktiken von Lehrkräften der staatlichen oder privaten Schule, an der aufgenommen zu werden Sie das Glück hatten. Machen Sie sich bewußt: Die hier angebotene Methode ersetzt weder Persönlichkeit noch Talent, gibt aber Schauspiel-Pädagogen wie -Eleven zuverlässige Hinweise für sichere Schritte auf dem Weg zur Bühne.

Berlin 1998

 

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