„Professor
Mamlock“ von Friedrich Wolf,
Deutsches
Theater Berlin,
Regie:
Wolfgang Heinz und Wolf-Dieter Panse
Diener der Wahrheit
Das
Deutsche Theater Berlin setzte „Professor Mamlock" auf den Spielplan. Bei uns hat der Faschismus seit 1945 keine Basis mehr.
Die Aufführung greift also nicht unmittelbar — wie es in Westdeutschland
der Fall wäre — in den tagespolitischen Kampf ein, ist aber dennoch auch für
uns wesentlich als Bekenntnis und Mahnung. Die Jugend, die den Faschismus und seine Menschenfeindlichkeit nicht
bewußt erlebt oder kaum in Erinnerung hat, sieht
anschaulich und drastisch, wohin Duldsamkeit und Vertrauensseligkeit gegenüber den Nazis führen. Die Erwachsenen aber
werden durch das Schicksal Mamlocks zur Wachsamkeit
gerufen; denn sie kennen nur zu gut, was in Westdeutschland wieder zur Macht
drängt.
Friedrich Wolf schrieb die Tragödie des deutschen jüdischen Intellektuellen, der seinen Beruf
über alles liebte, als Arzt Großes leistete, aber
politisch völlig versagte. Es ist die Tragödie jener Menschen, die 1933
glaubten, wenn sie sich nicht um Politik
kümmern, werde sich die Politik auch nicht um sie kümmern. Mamlock schlägt die Warnungen seines Sohnes Rolf in den
Wind, lieber weist er ihn aus der Wohnung, als daß er
dem jungen Mitglied einer roten
Studentengruppe Glauben schenkt. Die
politische Naivität des Vaters rächt sich bitter. Mamlock
wird von den Faschisten verhöhnt, angepöbelt und aus seiner Klinik getrieben.
Sein Glaube an die Gerechtigkeit des
bourgeoisen Staates und an die Unantastbarkeit der „Verfassung"
bricht zusammen. Zu spät.
Den
Mamlock gibt Wolfgang Heinz, einen geradezu
hysterisch selbstbewußten Arzt, der
seine politische Instinktlosigkeit ebenso energisch verteidigt wie sein Berufsethos. Man kann nicht Mitleid
haben mit diesem Mamlock. Das ist gut so. Hier zeigen
Heinz und Wolf-Dieter Panse, der junge Regisseur, Konsequenz.
Die Inszenierung ist zuweilen laut, wo sie
betonter, umständlich, wo sie bestimmter
hätte sein können. Ulrich Thein spielt einen intelligenten, sehr gut erfaßten Jungkommunisten, Otto Mellies den bedachten, zielbewußten
Sohn Rolf und Karola Ebeling genau die eben dem Kindesalter entwachsene Tochter
Ruth. In weiteren Rollen Ursula Burg, Felicitas Ritsch, Waldemar Schütz, Walter
Lendrich und Werner Pledath.
SONNTAG, 31. Januar 1960