„Viel Lärm um nichts“ von Shakespeare am Maxim Gorki Theater Berlin, Regie Tim Supple

 

 

 

Hier ist man bei Shakespeare

 

Es ist ein Ergötzen, ein lustiger Tru­bel, anrührend besinnlich auch. Auf lockerem Kiesel-Grund kann abge­zirkelte Förmlichkeit gar nicht erst statt­finden. Shakespeares südliche Komödie »Viel Lärm um nichts« braucht improvi­satorische Unmittelbarkeit. Im akustisch nicht eben günstigen Bühnenhaus des Schiller Theaters inszenierte Tim Supple mit der überwiegend jungen Truppe des Maxim Gorki Theaters die Erstaufführung einer neuen Übersetzung als einen ange­nehmen, musikalisch aufgehellten Thea­terspaß.

Liest man bei Wieland oder Schlegel/Tieck noch einmal nach, fällt einem auf, wie sehr dieses Stück auf Rasanz der Dia­loge gestellt ist, wie es von der Brillanz geistreicher und geistreichelnder Wort­gefechte lebt. Bei Reinhard Palm, dem Neuübersetzer, geht es gestraffter zu, mit wenig funkelnder Wörtelei, und dadurch sozusagen psychologisch vertiefter.

Der Regisseur nutzte dies. Er setzte auf Charakterisierung, ohne zu dehnen, trieb

seine Darsteller nicht zu Schwadroniere­rei, die sie eh kaum bewältigen, und hielt dennoch ein zügiges Tempo. Ohne Kla­mauk bedient er die Spaß-Nummern und mit Ernst die beseelten Liebes-Szenen. Mit virtuosem Wechsel zwischen tempera­mentvollem und ruhigem, stets jedoch ur­sprünglich-naivem Spiel vermittelte Supple plastisch die recht eigentlich märchenhaften Hergänge im sizilianischen Messina, unterstützt von Bühnenbildnerin Melly Still, die mit stattlichem Palast-Tor und naturellen Kostümen geschmackvoll eine ferne Zeit assoziiert. So ist man, scheint mir, kompetent und unverstellt bei Shakespeare.

Erfrischend bühnenwirksam noch im­mer die männerfeindliche Kratzbürstig­keit der Beatrice, des Statthalters schöne Nichte, und die frauenfeindliche Wider­borstigkeit Benedicks, des jungen Edelmanns aus Padua. In diesen Paraderollen spielen sich Jacqueline Macaulay und Ha­rald Schrott in die Herzen des Publikums. Seine Sturheit hat wilde Kraft und zu­gleich die rührende Naivität des närrisch Verliebten. Ihre Widerspenstigkeit ist von schöner Anmut, ursprünglichem Liebreiz und hinreißendem Temperament. Wenn sich beide rechthaberisch angehen, lodert verborgene Leidenschaft füreinander. Wenn sie schließlich zueinander finden, traut man ihren Emotionen Beständigkeit zu.

Der andere Fall von Liebe wird so hu­morvoll wie seriös als die räuberpistoli­sche Mär vorgeführt, die er ist. Der junge, unerfahrene Claudio (Oliver Boysen), noch eben mit Fürst Don Pedro (Rainer Wöss) auf Kriegspfad unterwegs, verguckt sich flott in Hero (Eva Mende), die steif-vor­nehme Tochter des Statthalters von Mes­sina (Marcus Mislin). Der gönnerhafte Fürst vermittelt noch flotter die Hochzeit, doch dessen benachteiligter Stiefbruder Don John (Thomas Schmidt), ein reiner Bösewicht, durchkreuzt sie hasserfüllt. Seine Spießgesellen, der bärbeißige Borachio (Wolfgang Hosfeld) und der biedere Conrade (Kristian Wanzl), verleumden Hero als Hure. Krach auf der Hochzeit, List eines Mönchs (Hilmar Baumann}, Scheintod, Reue - und Bestrafung der Schandbuben. Gelegenheit für die örtli­chen Justizorgane, sich auszuzeichnen. Heinz Kloss als Chef-Konstabler Hundsbeer und Ulrich Anschütz als Vorsteher Randstand liefern herrlich komische Stu­dien.

 

 

 

Neues Deutschland, 16. Juni 2000