„Die Kleinbürgerhochzeit“ von Bertolt
Brecht an der Tribüne Berlin, Regie Jürgen Thormann
Wenn auch das Bett zusammenkracht
In der Tribüne, dem Intimen Theater
in der Berliner Otto-Suhr-Allee, gibt es Bertolt Brechts absurd-naturalistischen
Einakter „Die Kleinbürgerhochzeit". Eine delikate Mischung Karl
Valentinscher Komik mit frecher Spottlust über die dominante Schicht in der Gesellschaft.
Regisseur Jürgen Thormann allerdings
inszenierte keine Sozialstudie, sondern einfach Theater. Das leistet der Text
aus dem Jahre 1919 spielend. Der selbstbewußte junge Brecht indessen meinte schon
auch entlarvende Kritik. Spaß also nicht nur über die Tücke des Objekts, das fatale Auseinanderbrechen der Möbel, die der stolze
Bräutigam selbst gebaut hat. Lachen vor allem über die unselige Borniertheit
der Kleinbürger. Da sind sie zur Hochzeit geladen, vergnügen sich billig,
langweilen sich und fallen boshaft übereinander her. Beleuchtet von einer roten
Papplaterne im bieder-schmucken neuen Heim (Bühnenbild Klaus Ulrich Jacob).
Viel allgemeines Theater. Eine Schauspielerin
spielt ihre Figur sozial-konkret: Daniela Hoffmann als schwangere Braut Maria.
Ein vitales, sinnlich empfindsames Weib erleidet das Debakel
der Hochzeit, die redselige Sturheit des Vaters (Horst Schultheis), das Zerfallen
der Möbel, die gehässige Bloßstellung der Schwangerschaft. Doch die infamen
Gäste verziehen sich. Das Paar ist allein. Die Szene wird stimmig. Wie im
Leben.
Denn selbstverständlich, verstritten noch eben, geht
Maria mit ihrem Jakob (Bobby Hirsch) ins Schlafzimmer, lachend und ausgelassen.
Weil die Natur ruft. Und die Welt ist heil, wenn auch das Bett zusammenkracht.
Neues
Deutschland, 25. Oktober 1991