„Die Katze auf dem heißen Blechdach“ von Tennessee
Willliams am Renaissance-Theater Berlin, Regie Gerhard Klingenberg
Big Daddy bringt Realismus ins Spiel
Der amerikanische Klassiker über Liebe und Toleranz zwischen den Menschen, das Schauspiel „Die Katze auf dem heißen Blechdach" von Tennessee Williams (1911-1983), ist seit Richard Brooks' Verfilmung mit Elisabeth Taylor und Paul Newman eine besondere künstlerische Herausforderung für jede Bühne. Am Berliner Renaissance-Theater wagte Intendant Gerhard Klingenberg eine Inszenierung. Doch nicht das Ehepaar, Maresa Hörbiger als Margaret und Rüdiger Joswig als Brick, trägt die Aufführung, sondern Big Daddy, gespielt von Hans Teuscher.
Dem Schauspieler, der seine Bindung ans
Schiller-Theater gelöst hat, um am Renaissance-Theater zu arbeiten, gelang ein
beachtenswerter Einstieg. Imposant, wie dieser Big Daddy, bulliger Besitzer von
28 000 Morgen Land im Mississippi-Delta, um seinen Sohn Brick ringt, der seinen
Frust über eine zerbrochene Männer-Freundschaft und seine Abscheu vor dem lügnerischen
Taktieren im Leben im Alkohol zu ertränken sucht und seiner Frau bewußt die
Liebe versagt. Der Millionär, belebt und motiviert von der Nachricht, gesund zu
sein, erlaubt Brick keine Ausflüchte. Ein fast burschikoser Vater nimmt den Sohn
bestimmt und direkt ins Gebet. Doch so väterlich-freundschaftlich er mit Brick
umgeht, so hämisch-ironisch kann Big Daddy den Pfarrer abfertigen oder so grimmig-böse
die ungeliebte Schwiegertochter hinausfegen.
Teuscher bringt Realismus ins Spiel: die
genau umrissene Mentalität des reichen Plantagenbesitzers, eines krebskranken,
aber noch vitalen Mannes, der sich hochgearbeitet hat. Er weiß illusionslos mit
der Lüge zu leben, Familienangehörige wie Gäste autoritär zu kommandieren, und
ist doch kein vordergründiges Ekel, sondern ein Mensch, der Duldsamkeit übt und
die Kraft hat, unsentimental abzutreten, nachdem er unvermutet und ausgerechnet
vom geliebten Sohn von seinem nahen Tode erfährt.
Ansonsten hat die Aufführung szenische Dichte
leider nicht. Das wirklichkeitsgerechte Bühnenbild Andreas Ranks ließe sie zu.
Aber das heterogene Ensemble vermag die nervig-angespannten Familienbeziehungen
psychologisch nicht herzustellen.
Maresa Hörbigers Margaret ist von
inkommodierender Härte gegenüber ihrem Gatten statt von liebeshungriger
Ausdauer und weiblicher Verführung. Sprecherisch ist sie meist rhetorisch laut
statt differenziert und sensibel. Rüdiger Joswigs Brick bleibt blaß, kann den leidenschaftlichen,
aber psychisch zerrütteten Mann nicht glaubhaft machen, an dem Maggie, die
Katze, so unbedingt hängt. Inge Wolffbergs Big Mama ist kaum charakterisiert,
eher äußerlich skizziert.
Neues
Deutschland, 21. März 1991