Fire-Eaters“ von Charles Fenn,

deutsche Erstaufführung in den Leipziger Kammerspielen,

Regie: Frithjof Ruede

 

Töten ist ihr Gesetz

 

Ein Bungalow im vietnamesischen Dschungel, das Haus des französischen Bergbaudirektors André Derosse. Die Nacht ist hereingebrochen. Im Kegel einer Taschenlampe sind zwei Men­schen zu erkennen: Thérèse Derosse, Andrés Frau, und Thi Phong, eine viet­namesische Krankenschwester, nieder­gestreckt beide von den Kugeln ver­tierter Fremdenlegionäre. Zufrieden betrachten die Mörder ein Aquarium. Darin tobt ein furchtbarer Kampf. Die „Kampffische", nimmer satte Hyänen unter den Zierfischen, fressen erbar­mungslos, was ihnen in die Quere kommt. — Nachdenklich verläßt man das Theater. —

Die Züchtungsversuche von André Derosse sind fehlgeschlagen. Raub­fische bleiben Raubfische, sie werden nicht zahm und friedfertig. Und Frem­denlegionäre bleiben Fremdenlegionäre, sie wäscht kein Zeitungsschwindel rein, sie bleiben bestialische Unterdrücker eines um seine Freiheit ringenden Vol­kes. Toten, töten, töten oder selbst auf der Strecke bleiben, ist ihr Gesetz.

Diese Erkenntnis in ihrer ganzen Grausamkeit und Konsequenz dem Zuschauer zu zeigen, war die Absicht des englischen Dramatikers Charles Fenn, als er seine „Kampffische" („Fire-Eaters") schrieb, die 1954 vom „Theatre Workshop" in London gespielt wurden. Fenn kennt das Geschehen in Viet­nam aus eigenem Erleben. Es lag ihm fern, zu übertreiben oder zu bagatellisieren. Sein Stück zu spielen verlangt Bekenntnis. So wie der Autor bekennt; denn der Entschluß des amerikanischen Arztes ist sein Entschluß.

Dieser amerikanische Arzt Harry Payton kommt nach Vietnam, um den Franzosen zu helfen. Er stellt jedoch fest, daß die amerikanische Presse ihn beschwindelt hat. Die Franzosen killen. Die Vietnamesen sind zwar hart, aber gerecht in dem Bewußtsein, für eine gute Sache zu kämpfen. Payton erlebt ihre Aufrichtigkeit, als er mit Derosse und dessen Frau im Bungalow von einer vietnamesischen Kampfein­heit überrumpelt wird. Die Vietname­sen bitten ihn, ihren Verwundeten zu helfen. Widerstrebend zunächst, aus menschlichem Verantwortungsbewußt­sein sodann betreut er die Kranken. Und als die Volksarmee nach erledig­tem Auftrag wieder abzieht, geht er mit ihr. Payton weiß selbst noch nicht so recht, warum eigentlich. Vielleicht ist es einfach das bewegende Erlebnis mit diesen Eingeborenen.

Harry Payton wird leben. Die Zu­rückbleibenden aber, Thérèse Derosse und Thi Phong, die sich nicht schnell genug zurückzog, werden von den wiederkehrenden Fremdenlegionären bru­tal „umgelegt".

Die deutsche Erstaufführung des Werkes in den Leipziger Kammerspie­len unter der Regie von Frithjof Ruede und in den Bühnenbildern von Klaus Poppitz war werkgerecht, sauber und solide, vorzüglich vor allem in der Be­setzung. Edwin Dorner gibt Pham, den Hauptmann der vietnamesischen Volks­armee: klug, einfach, aufrichtig, kon­sequent in der Entscheidung, so wird Pham zum Anwalt des Volkes. Dor­ners glasklare Stimme, seine beherrschte, knappe und sichere Gestik verleihen dieser Figur eine kampfgestählte, tiefe Menschlichkeit, die die gesellschaftliche und moralische Überlegenheit des Freiheitswillens des vietnamesischen Volkes in der Auseinandersetzung mit dem Bergbaudirektor Derosse über­zeugend beweist. Die verblendete Bös­artigkeit Derosses umhüllt Max Bern­hardt sehr treffend mit einer intelligent-witzelnden Überheblichkeit. Der Arzt Manfred Zetzsches ist noch ein wenig zu eckig, Gisela Bestehorns Thérèse ist der fein beobachtete Typ eines kleinbürgerlichen Weibes, das beachtet zu werden wünscht, und Rita Gödikmeiers Thi Phong ist schlicht, unaufdringlich und doch nicht ohne notwendige Entschlossenheit. Ein ein­drucksvoller Theaterabend.

 

SONNTAG, 12. Februar 1956