9. Die Herausforderung Brecht  (1962 – 1975)

 

 

 

 

            9.3  Christian Grashof, Jörg Gudzuhn und Walfriede Schmitt über ihren Lehrer

Rudolf Penka war nie ein Leiter, der die Geschicke der Schule vom Schreibtisch aus zu bestimmen trachtete. (9.15) Er hatte keinen Nerv für Analysen und Berichte, aber ein Herz für die ihm anvertrauten Studenten. Er war stets sehr zurückhaltend mit seinem Urteil, doch wenn er sich äußerte - ob in Auswertungen der Szenenstudien oder in Aufnahmeprüfungen —, formulierte er seine Meinung so knapp wie überzeugend.

 

grashof

Christian Grashof, Absolvent 1967

 

Von den vielen Schauspielern, denen er den Weg zur Bühne ebnen half und die einer wie der andere und eine wie die andere ihren Lehrer zutiefst verehren, können hier nur wenige zu Wort kommen.

Christian Grashof, Absolvent 1967, heute gefeierter Star am Deutschen Theater in Berlin, erzählt: «Rudi Penka war mein erster Lehrer, den ich richtig mochte. Hauptsächlich ihm verdanke ich das Empfinden, gern an der Schauspielschule gewesen zu sein. Bei ihm ließ sich "spielend" lernen, er ermunterte zum Spielen — was wahrscheinlich überhaupt der Punkt ist, auf den man baut als Darsteller. Fast jeden drängte es in seinem Etüdenseminar auf die Bühne. Und ich begriff, daß Theater bloß mit Partnern geht, im Zusammenspiel. Allein so funktioniert unser Beruf, auch wenn es mancher Kollege vergißt oder nie verstanden hat. Meinen unbedingten Drang zum Spielen weckte Rudi Penka. Für ihn strengte ich mich an; ich brauchte und er stimulierte diesen Trieb. Ich hatte allerlei schlechte Bücher über Schauspieltheorie gelesen, das Begreifen kam erst bei ihm. Daraus erwuchs die Fähigkeit zum selbständigen Arbeiten und die Erkenntnis: Der Beruf muß Freude machen, man kann ihn nicht nur im Kampf ausüben. Wer das weiß, weiß mehr über sich selber, über individuelle Voraussetzungen, die er ins Engagement mitbringt.

Penka hat Individualität stets gelten lassen und viele von uns zu uneitler Selbsterkenntnis befähigt. So gab und gibt er zugleich unauffällig-wichtige Anstöße zum Nachdenken über das Leben und über politische Zusammenhänge. Und er vermittelt Maßstäbe! Auf wesentliche Theateraufführungen wies er uns ebenso hin wie auf Filme, Kunstausstellungen, Bücher. Seine Tipps weiteten unseren Horizont. Übrigens wirken sie wie unausgesprochene Erwartungen, die man nicht enttäuschen möchte, noch immer nach. Schließlich: Wir alle kennen Scheu und Hemmungen in der Arbeit. Durch Rudi Penkas Art des leisen, vertrauensvollen Umgangs mit uns sind sie kleiner geworden, gewissermaßen erträglicher. Dafür ist ihm zu danken(9.16)

 

gudzuhn,jörg

Jörg Gudzuhn, Absolvent 1970

 

Jörg Gudzuhn, Absolvent 1970, auch er heute gefeierter Star am Deutschen Theater in Berlin, urteilte über Penka: «Ein Mann, der mit großer Güte zu Werke geht.

Nichts von der Manieriertheit mancher anderer Theaterleute. Sehr lieb, sehr genau, jedoch auch sehr scharf — bei der Auswertung von Studienergebnissen. Gutes Auge für Studenten, die vielleicht zu große Illusionen haben; ich nenne sie mal mit einem Allgemeinplatz "Spinner". Von denen mußten einige gehen, regelmäßig eine traurige Angelegenheit. Obwohl Rudi Penka meist ausgeglichen und freundlich war, hat er sie mit gerechter Härte behandelt, offen, kompromisslos, ganz unverblümt. Über diese zwei Seiten an ihm konnte ich schon ins Grübeln geraten! Im übrigen deckte sich das, was er dazu sagen mußte, regelmäßig mit meinem eigenen Urteil.

Wenn er unsere darstellerischen Leistungen, wenn er Spielsituationen analysierte, steckte er gleichsam unsere Persönlichkeitsdiagramme ab. Ein Theaterproblem — ob in der Ausbildung oder später im Engagement - ist die Beweisbarkeit. Wo liegt der Ausgangspunkt, der Standort für ein Urteil? Rudi Penka wußte da kein Patentrezept, aber er lehrte uns sehen. Er fragte nicht, was richtig oder verkehrt gewesen sei, sondern: Was ist wahr? Und wie steht die momentane, hier zu beurteilende Leistung im Zusammenhang mit dem Entwicklungsstand des einzelnen Studenten, von dem er immer ein treffendes Bild besaß? Seine Toleranz beim Formulieren dessen, was er wahrgenommen hatte, sicherte uns Boden unter den Füßen.

Rudi Penka hat uns deutlich gemacht, daß der Schauspielerberuf viel mit Arbeit, nichts mit purem Zuckerschlecken und Geldverdienen zu tun hat. Wer das nicht begreife und zum Hauptmotiv seiner Bemühungen mache, sei falsch an der Schule. So hat er mir Berufsethos vermittelt.» (9.17)

 

schmitt,walfriede

Walfriede Schmitt, Absolventin 1966

 

Walfriede Schmitt, Absolventin 1966, Jahrzehnte an der Volksbühne Berlin, nun vorwiegend Arbeiten beim Fernsehen, erklärt: «Seine Bestätigung unseres Talents beim Abschied von der Schauspielschule verband er mit der Bemerkung, es werde uns gar nichts nützen ohne Fleiß. Simpel? Offenbar nicht, wenn man auf den Bühnen umherschaut. Den Satz über das Wechselverhältnis von Talent und Fleiß habe ich mir hinter den Spiegel gesteckt,... Als Schulleiter ist dieser Mann nie ehrgeizig gewesen; die Schule sollte nicht durch seine Person, sie sollte durch die Persönlichkeiten der Absolventen wirken. Deren Entfaltung war ihm wichtig...

Ebenso beispielhaft und nachwirkend erscheinen mir Rudi Penkas Fähigkeiten, wunderbar zuhören zu können, stets Zeit zu haben, keinesfalls hastig zu sein. Auch solche Eigenschaften gaben jedem von uns die Gewißheit, hier individuell wachsen zu dürfen. Daß unserer Ungeduld dafür manchmal rasche Rezepte zu fehlen schienen, ist nicht ihm anzulasten: Es gibt keine. Und jederzeit war es möglich, ihn zu fragen! Man will doch fragen als Student und zu eigenen Schlußfolgerungen kommen. Da erhielt dann jeder seine, nicht irgendeine Antwort.» (9.18)

 

 

 

 

Anmerkungen:

 

 

 

9.15  Der Autor dieses Buches arbeitete ab 1. September 1963 als Stellv. Direktor der Schauspielschule Berlin    Zurück zum Text

9.16   Rudolf Penka – Versuch eines Arbeitsporträts, Berlin 1983, S. 31    Zurück zum Text

            9.17   Ebenda, S. 32    Zurück zum Text

            9.18   Ebenda, S. 37    Zurück zum Text

 

 

 

 

 

 

Weiter zu „Renate Blume und Walter Plathe bewerben sich“