„Die traurige Geschichte von Friedrich dem
Großen“ von Heinrich Mann im Deutschen Theater, Regie Alexander Lang
Bestes Volkstheater
Das ist ein Abend ergötzlichen Theaters:
aufgeschlossener, anhaltender Beifall, fröhlich sich verbeugende Schauspieler,
vergnügliches Einvernehmen. Soeben haben sich Darsteller und Publikum
komödiantisch mit einem nicht gerade rühmlichen Kapitel deutscher Geschichte
auseinandergesetzt. Es ist festgehalten im nachgelassenen Romanfragment Heinrich
Manns „Die traurige Geschichte von Friedrich dem Großen", wurde bearbeitet
und inszeniert von Alexander Lang, 1982 uraufgeführt, jetzt wieder aufgenommen
in den Spielplan des Deutschen Theaters Berlin.
Hier wird urwüchsiges sozialistisches Volkstheater
geboten. Heiter-ironisch wird König Friedrich Wilhelm I. von Preußen porträtiert,
mit gewissem Verständnis sein Sohn Friedrich. Ein klein wenig Aussöhnung findet
auch statt bei der Gelegenheit, vor allem aber intelligente, unterhaltsame wie
bittere Kritik.
Unsere Schauspielkunst vermag das zu leisten.
Sie verfügt über die Mittel, tief in die geistig-seelische Befindlichkeit der
Figuren zu leuchten, ihr soziales Handeln präzis zu erschließen und sie — ohne
hämisch zu karikieren — in pointiert-plastischem Spiel und mit äußerst
wandlungsfähigem sprachlichem Ausdruck hinreißend komisch vorzuführen. Hochstilisiert
und komprimiert sind die Vorgänge, nie Manier, auf den wesentlichen Punkt gebracht,
zutiefst realistisch.
Kurt Böwe gibt den König. Mobil-pfiffig und irgendwie jovial springt er in die Szene. Und dann agiert er in rustikaler Vitalität als absoluter Monarch. Er demütigt seine Frau Sophie Dorothee (Katja Paryla), quält seine Tochter Wilhelmine (Simone von Zglinicki in wächserner Ergebenheit) und peinigt seinen Sohn Friedrich. Sparsamkeit praktizierend, aufs leibliche Wohl bedacht, um die Gesundheit fürchtend, geistig genügsam, schlau zwischen Österreich, England, Frankreich und Rußland lavierend, scheint er doch nur einen Kummer zu haben: aus dem anscheinend mißratenen Sohn einen maßgerechten Thronfolger zu machen. Wird Preußens heiliges Staatsprinzip, die Subordination, nicht respektiert, gerät der König in Raserei.
Ausgerechnet
der Sohn widersetzt sich. Kronprinz Friedrich ist in der Darstellung Katrin Kleins
von Anbeginn ein verschlagener, listenreicher, zähmilitanter Bursche, nicht
plump wie der Vater, sondern gefährlich im Kalkül. Seine musischen Interessen,
die den Vater erbosen, sind gepaart mit kalter Berechnung, die der König als opponierende
Halsstarrigkeit empfindet, die im Grunde aber schon über ihn hinausreicht.
Dieser Friedrich schien mir im Vergleich zur
Premiere sogar noch schärfer, unerbittlicher in seiner aufsässigen
Verstocktheit. Und der Vater vermag ihn nicht mit Liebe und Vertrauen zu entwaffnen.
Was er durch Erzieher erprügeln will und mit der Hinrichtung Kattes nach des
Kronprinzen Fluchtversuch erbarmungslos zu erzwingen sucht, nämlich
rückhaltlose Unterordnung, das ist letztlich nur größere Unaufrichtigkeit. Als
scheinbar willige Marionette entspannt sich der zur Verlogenheit erzogene Sohn
auf des Vaters Schoß. Doch noch in der Sterbestunde des Königs verkündet
Friedrich seine aggressiven Absichten.
Natürlich ist Preußens militaristische
Kriegslust nicht Ergebnis der Ruhmsucht Friedrichs allein. Hier bleibt das
Stück Auskünfte schuldig. Als Komödie freilich erzählt es, daß durch Drill und
Prügel erzwungene Subordination letztlich äußerlich bleibt, Friedrich Wilhelm I.
sich lediglich einen Heuchler großgezogen hat. So hilft das Stück zu erkennen,
wie in Preußen der Untertanengeist geschaffen wurde und beschaffen war.
Doch immer und ganz und gar ist das
ergötzliches Theater, dank hervorragender Schauspieler: Otto Mellies (Grumbkow)
sei noch genannt, Dietrich Körner (Seckendorf), Inge Keller (Fürstin Galitzin),
Christian Grashof (Gundling), Lothar Förster (Geistlicher) und Horst Lebinsky (Zar).
Neues
Deutschland, 25. Juli 1984