„Geld“ von Herbert Asmodi im
Renaissance-Theater Berlin, Regie Herbert Kreppel
Spiele nie gegen die Regeln
Eine alte, herrische Dame, in jungen Jahren
im horizontalen Gewerbe zu allerhand Geld gekommen, will ihre Million nur dann
der Tochter ihres Bruders vererben, wenn die einen Sohn vorweisen kann. Also
wird geheiratet. Aber Coras Mann Lesable bringt, trotz aller männlicher Anstrengung,
kein Kind zustande. Nach einem halben Jahr ist er physisch am Ende. Das Erbe
scheint der Kirche verfallen. Cora weiß sich zu helfen. Während sich ihr Gatte
auf dem Lande erholt, führt sie galanten Verkehr mit Baron Maze.
Schwangerschaft im letzten Moment. Die sieche Tante kann alles noch nach ihrem
Willen richten. Obwohl Cora inzwischen von der Ehe mit Lesable nichts mehr
wissen will, fügt sie sich gutbürgerlicher Sitte. Und Tantchen, dieser Drache,
stirbt.
Ausgedacht hat sich den Fall der Franzose Guy
de Maupassant (1850 bis 1893), niedergeschrieben als Novelle „Die
Erbschaft". Nachgestaltet fürs Theater hat den Fall Herbert Asmodi
(geboren 1923 in Heilbronn) mit dem profanen Titel „Geld". Uraufgeführt
wurde die brav-schlüpfrige Komödie 1977 an den Kammerspielen Hannover, zu besichtigen ist sie zum Saison-Auftakt am Berliner Renaissance-Theater.
In einer gängigen Inszenierung Herbert Kreppels (Bühnenbild Toni Businger).
Anfangs schien sich die Geschichte zu einer
simpel schwankhaften Angelegenheit zu entwickeln. Edith Hancke als erkrankte
reiche Erbtante von einem Himmelbett aus die Familie tyrannisierend, vertraute
sehr auf ihren lustspielgeübten, letztlich leider, einförmig schnoddrigen Ton. Aber
dann setzte sich einigermaßen charakterisierendes Spiel durch. Therese Lohner gab
eine quicke Cora, zunächst quirlig-naiv die vor zwei Monaten aus dem Kloster gekommene
Jungfrau, dann das immer zynischer berechnende Eheweib. Gerhard Friedrich war
ein herzhaft-poltriger Vater Cachelin, ein Haudegen und Kriegsveteran, immerhin
mal heldenhafter Tambourmajor, aber wegen des lieben Geldes sich der
Befehlsgewalt der Tante beugend.
Ehemann Lesable, ein Bürger, der gar nicht
aufs Erbe versessen ist, sondern von der Natur und von gesundem Leben schwärmt,
wird von Rudolf Bissegger in dessen treuherziger
Redlichkeit leicht komisch gezeichnet. Baron Maze, der zwar erfolgreiche, letztlich
aber abgeschmetterte Nebenbuhler, ist bei Bernd Rumpf ein einnehmender junger
Mann von selbstbewußtem Hochmut und besten Manieren. Einen naschkatzigen Pfarrer
Mathieu gibt Horst Pinnow, einen galant-seriösen Direktor Friedrich Schoenfelder.
Der Direktor ist schnell bereit, Herrn
Lesable zu seinem Vize zu befördern, nachdem der kein armer Schlucker mehr ist.
Er kennt offenbar sehr gut die „Lebensweisheit" der Tante, die Edith
Hancke dezidiert verkündet: Spiele nie gegen die Regeln! Gemeint ist opportunes
Verhalten im sozialen Getriebe. Wenn sich die hübsche Cora in eine Geldehe
schickt, die keine Liebesehe mehr ist, geschieht das bei Maupassant wie bei
Asmodi freilich mit einer boshaften Selbstverständlichkeit, die eigentlich
grausam ist. Just hier war Herbert Kreppels Inszenierung leider denn doch dem unverbindlichen
Lustspiel näher als einer sozialkritischen Gesellschaftskomödie.
Neues
Deutschland, 30.August 1993