„Frauen. Krieg. Lustspiel“ von Thomas Brasch im Schiller-Theater Berlin, Regie George Tabori

 

 

 

Phantasievoller Bühnenzauber

 

Der 1914 in Budapest geborene, in Berlin lebende George Tabori, sarkastischer Melancholiker unter den Regisseuren, der Thomas Braschs „Frauen. Krieg. Lustspiel" 1988 zu den Wiener Festwochen uraufführte, setzte diesen Text jetzt am Berliner Schiller-Theater in Szene. Dabei strich er feinfühlig, stellte um und vermied, des Autors „Lustspiel“-Intention zu bedienen, mit der dieser die Themen Frauen und Krieg koppelte. Taboris theatrale Metapher lenkt nie ab, ist so unmittelbar wie einfach: Krieg tötet Frauen, und zwar seelisch.

Sätze und Worte bei Brasch, Material des Inhalts: Zwei junge Wäscherinnen, die Darstellerin der Klara und die der Rosa, erinnern ihr Witwenschicksal im ersten Weltkrieg. Hineinmontiert sind Ängste, von der Polizei als Kindesmörderin geholt zu werden. Hineinmontiert sind Reminiszenzen an Begegnungen mit dem Ehemann, bei der Hochzeit, auf dem Schlachtfeld vor Verdun, an Erlebnisse als Krankenschwester im Militärlazarett. Der Geisteszustand der Frauen ist der einer ungewissen Schwebe zwischen Klarsinn und Wahnsinn.

Daß solch meist monologisierender „Splitting "-Text überhaupt spielbar ist, beweist der Regisseur. Ob auch publikumseffektiv, muß sich zeigen. Immerhin - finde ich -wurde derlei versteckt didaktisches, Kriegsleid memorierendes Votum selten so anmutig, so romantisierend mit phantasievollem Spiel illustriert. Entstanden ist ein autonomer, auch ein wenig sich selbst genügender Theaterzauber. Wozu das Bühnenbild Andreas Szallas nicht unwesentlich beiträgt: Eine blaßgrüne Rasenfläche, darauf mit roten Nelken geschmückte Stege rechts, links und hinten. Im Raum Badewanne, Stehleiter, Bügelbrett und Waschtrog als Requisiten, auch ein Stahlhelm, weiße Grabkreuze. An Leinen über der Szene baumeln unschuldig weiße Männermonturen. Eingefaßt wird das Ganze durch eine hohe dunkelrote Ziegelfront.

Wahrscheinlich hätte die Intimität der Schiller-Werkstatt dem Unternehmen mehr Wirkung verschafft. Die psychischen Torturen der Frauen, ihre unerfüllten Sehnsüchte nach Liebe und Glück, wären unmittelbarer, unausweichlicher unter die Zuschauerhaut gegangen. Jetzt ist da immer auch Distanz, Betrachtung. Aber Angelica Domröse (Klara) und Ursula Höpfner (Rosa) bewältigen die große Bühne mühelos, vermitteln, wie rohe soziale Umstände Zartheit und Liebreiz der Frauen verschleißen, ihre Seelen zerbrechen.

Leichtfüßig behend gibt die Domröse ein nervig-sinnliches Weib, manchmal nahe am völligen geistigen Zusammenbruch, dann auftrumpfend mit Behauptungswillen. Rationaler, erdnäher scheint die Rosa der Höpfner. Beherrscht und beherzt bettet sie die toten Soldaten, indem sie die Monturen behutsam hebt, trägt und ablegt.

Schließlich rollt ein schlankes trojanisches Pferd frontal herein. Ein blinder Reiter trabt mit seinem treuen Gaul darum herum: der bei Shakespeare ausgeliehene, ermattete und dann tödlich verwundete Räsoneur Pandarus, den Hilmar Thate verkörpert. Seine verhalten verkündete Botschaft „Liebet euch, statt euch zu töten!" ruft ins Bewußtsein, daß die schreckliche Kriegsgeschichte der Menschheit bereits Jahrtausende währt. Welch makabren Fakt Tabori denn doch noch komisch bricht: mit einer munter musizierenden Clowns-Kapelle.

 

 

Neues Deutschland, 8./9. Dezember 1990