„Die Verschwörung des Fiesko zu Genua“
von Friedrich Schiller in den Kammerspielen des Deutschen Theaters Berlin,
Regie Friedo Solter
„Fiesko“ mit ironischem Opernfinale
Der Meister der Beleuchtung, Herr Heimhart von Bültzingslöwen, hatte nicht seinen besten Tag. Er zerlegte Friedo Solters Inszenierung des republikanischen Trauerspiels „Die Verschwörung des Fiesko zu Genua" von Friedrich Schiller gnadenlos in helle, düstere und diffuse Segmente, obwohl der Regisseur an den Kammerspielen des Deutschen Theaters um die Dynamik des Dichtwerkes bemüht war. Solter stellte die immense, poetisierende Haupt- und Staatsaktion sozusagen heiß in die marmorne Kälte eines offenbar von Schicksals-Mächten schiefgedrückten Spiegelsaales (Bühnenbild Hans-Jürgen Nikulka). Zusammen mit den schrillbunten Kostümen der jungen Sabine von Oettingen erfüllte er alle Bedingungen für ein furioses Theaterspektakel.
Tiefere Bedeutung bringt Otto Mellies ein. Er
zelebriert den Andreas Doria, den Dogen von Genua, als senil-pathetischen
Herrscher, der mit seinen 80 Jahren nicht mehr so recht begreift, was eigentlich
in seinem Revier vor sich geht. Ganz und gar von sich eingenommen schleicht und
tänzelt er in selbstherrlicher Vermessenheit, zutiefst überzeugt, daß Genuas
Volk glücklich ist. Eine glänzende Studie.
Tiefere Bedeutung auch bei Michael Schweighöfer.
Er gibt Fiesko, den Widersacher Dorias, als eine wahrhaft schillernde Figur.
Ein eitler, protzender Galan, ein rigoroser Ehemann, ein politischer Abenteurer.
Sein Ehrgeiz wird geweckt, als er den Muley Hassan (Uwe Dag Berlin als
hechelnder, räudiger Straßenköter) überwältigt und erfährt, daß er dem Gianettino
Doria (Michael Walke fies und fett) nur hundert Zechinen wert war. Empört tigert
er an der Rampe quer. Oft kreuzt er dann wie ein rauflustiger Torero durch die
Szene. Seine gelegentlichen hysterischen Anfälle lassen nichts Gutes ahnen. Er
versteht, höfisch zu posieren. Aber er scheint kein Heuchler. Er lebt dem
jeweiligen Moment. Das Komplott gegen Doria bereitet er mit allem gebotenen
Ernst. Er ventiliert gründlich, was es heißt, Herrscher zu sein. Kleinmut,
meint er, ist die höchste Gefahr.
So hat Verrina wirklich allen Grund,
mißtrauisch zu sein. Dieter Mann zeigt in gemessener Ruhe die Souveränität
eines geschworenen Republikaners, der freiheitliches Selbstverständnis
sozusagen mit der Muttermilch in sich aufgenommen hat. Er ist nicht gerade ein dogmatischer
Besserwisser, aber ein missionarisch unbeirrbarer, gut betuchter Bürger
überlegener Art.
Solter schlägt all diesen Aufruhr- und
Machtsüchtigen ein Schnippchen, macht sie ganz und gar zu Kunstfiguren. Schon
der erste Dolchwurf Verrinas in den Rücken des Fiesko ist von besonderer
Theatralik. Die forciert Solter zum Opern-Finale. Verrina wirft noch einmal,
trifft über weite Distanz. Doch Fiesko lebt. Er legt, wie Verrina fordert, den
Purpur-Mantel, das Symbol tyrannischer Herrschaft, ab. Versöhnung in verklärter
Freude. Offenbare Illusion! Die ironisch-kecke Lösung eines Konfliktes, der
realiter - wie jedermann weiß - schwerlich so zu lösen ist.
Dies der Höhepunkt des Abends. Ansonsten auch
Leerlauf. Solter ist echt gut, wenn er dramatische Vorgänge intensiv und
realistisch auslotet, er ist krawallisch bis zur Unverständlichkeit, wenn er
die Farce zeigen will.
Vom engagierten Ensemble zu nennen noch: Eva
Weißenborn als Julia, Claudia Geisler als Leonore, Frank Lienert als
Bourgognino, Axel Wandtke als Lomellino, Bernd Stempel als Calcagno und Roland
Hemmo als Romano. Herzlicher Beifall.
Neues
Deutschland, 14. Januar 1992