„Zufällig eine Frau: Elisabeth“ von Dario Fo
am Berliner Ensemble, Regie Manfred Wekwerth und Alejandro Quintana
Theaterulk mit komödiantischer Leichtigkeit
Verblüffender Auftakt im Berliner Ensemble:
Ein Herr aus der dritten Reihe wendet sich an das Publikum — Peter Bause. Er
spricht Helmut Baierls launigen Prolog zur DDR-Erstaufführung der Farce
„Zufällig eine Frau: Elisabeth" von Dario Fo.
Die aktionistische Schwadronier-Komödie mit Anleihen bei der Commedia dell'arte, bei Shakespeare und sonstwo scheint mir freilich Dario Fos bestes Stück nicht zu sein. Der progressive italienische Schauspieler, Regisseur und erfahrene Revue- und Stückeschreiber hat mit „Bezahlt wird nicht", „Zufälliger Tod eines Anarchisten" oder „Die Frau zum Wegwerfen" schon gewichtigere Beiträge zum zeitgenössischen Theater vorgelegt.
Diesmal präsentiert Fo eine gealterte, an
Maria-Stuart-Alpträumen leidende englische Königin Elisabeth I., die sich verzweifelt
strapaziösen Schönheitskuren unterzieht, um ihrem geliebten Grafen Essex zu
gefallen — derweil dieser gegen sie putscht. Das mit Kraftausdrücken garnierte
Spektakel endet mit einem ellenlangen tragikomischen Monolog des Wahnsinns der
Elisabeth, von Fo wohl gemeint als poetische Absage an jeglichen
Machtmißbrauch, als Stückschluß aber war's reine Verlegenheit.
Die Regisseure Manfred Wekwerth und Alejandro Quintana änderten diesen
Schluß, strichen einige Spielpassagen und gaben den quirlig ausufernden
Dialogen Schlankheit und Dynamik. Und sie montierten eine tragfähige Fabel.
Elisabeths Ahnung, daß sich in ihrer Umgebung ein Spitzel befindet, der interne
Regierungsangelegenheiten prompt dem Theaterautor Shakespeare hinterbringt —
bei Fo ein Einfall am Rande —, wird in der Inszenierung durch passende, scheinbar beweiskräftige Zitate aus Shakespeares Stücken nachhaltig genährt.
So werden die bei Fo nur anklingenden Attacken des Unmuts der Königin gegen
ihren dichtenden Zeitgenossen zum Herzstück der theatralischen Veranstaltung.
Gelegentlich wird der Eindruck erweckt, als träten die Darsteller aus ihren Rollen
heraus und kämen über ihre künstlerische Arbeit miteinander ins Gespräch. Da ist
leicht, locker und unauffällig Verfremdungstechnik im Spiel. Die Schauspieler
der Brecht-Bühne zeigen ihre Fähigkeit, Figurenhaltungen minutiös zu brechen.
Peter Bause gibt die angel-„sächselnde"
Kräuterhexe, eine „Das Mensch" genannte Wunderdoktorin, die bei Hofe
angestellt wird, um die Königin auf zuschönen. Von Klaus Noack und Christine
Stromberg nach alten Vorlagen mit weitem Rock und buntem Häubchen gottvoll
kostümiert — fuhrwerkt Bause gründlich und andauernd in Elisabeths Amtsgeschäfte.
Grandios, von komödiantischer Perfektion die Szene, in der er nach dem Diktat der
Königin einen Brief schreibt.
Renate Richters geplagter Elisabeth bleibt
darob manchmal nur hysterisches grelles Schreien. Aus ihrem Bett — einer wahren
Zitadelle der Lust — kommt sie morgens griesgrämig. Ihre Liebes-Sehnsucht nach
dem Grafen von Essex ist von erbarmungswürdiger Schrulligkeit. Aber nach den Schönheitstorturen
blüht sie tatsächlich auf.
Das Theatergaudi komplett machen Franziska
Troegner als Martha, die kluge Gouvernante der Königin, Franz Viehmann als
einigermaßen begriffsstutziger Polizeichef Haggerton, Manuel Soubeyrand als
manipulierter Jüngling Thomas und ein edles Pferd aus dem Stalle Eduard
Fischers. Die Musik Günther Fischers ist von diskreter kommentierender
Anwesenheit. Wie ein in Töne gesetzter zarter Vorhang umklingt sie den drallen
Ulk, distanziert, ironisiert und vertieft wohl auch.
Viel Beifall im Berliner Ensemble.
Neues Deutschland, 10. Dezember 1986