„Don Camillo & Peppone“ von Sabine
Thiesler am Hansa-Theater Berlin, Regie Klaus J. Rumpf
Zwei Streithähne hau’n den Lukas
Uraufführung am Hansa-Theater in Berlin-Moabit:
„Don Camillo & Peppone". Wie in alten Zeiten befehden sich der
katholische Priester und der kommunistische Bürgermeister, sparen dabei nicht
mit Handgreiflichkeiten und können letztlich ohne einander nicht leben.
Das Buch von Giovanni Guareschi (1908-1968),
einem Journalisten, war nach dem 2. Weltkrieg ein Bestseller, nicht nur in
Italien. Und die Verfilmung 1952 mit Fernandel und Gino Cervi ging um die Welt,
ausgespart freilich die „sozialistische", wo die Verspottung des
religiösen wie des politischen Dogmatismus einfach nicht stattfinden durfte.
Jetzt, nach fast einem halben Jahrhundert,
holte Sabine Thiesler, erfahrene und erfolgreiche Drehbuchautorin, die schon
legendären Volksfiguren aus der Vergessenheit, machte aus deren Rangeleien ein
gut gebautes, kurzweiliges Theaterstück, und Klaus J. Rumpf, ihr Ehemann, der
derzeitige Vize-Chef des Hansa-Theaters, fertigte eine unterhaltsame
Inszenierung. Auftakt zugleich zur Berliner Theater-Saison 1993/94.
Ein gutes Zeichen? Ich denke schon. Das Premierenpublikum
jedenfalls hatte seine helle Freude an der ursprünglichen Hartnäckigkeit, mit
der sich der Katholik und der Kommunist für das Wohl ihrer Gemeinde ins Zeug
legen und sich dabei in die Haare geraten. Gewiß: Man schaut auf unwiderruflich
Vergangenes. Dennoch drängen sich in Zeiten, in denen Antikommunismus
Staatsdoktrin ist, allerhand Assoziationen auf. Allein deshalb ist diese
Premiere in Moabit (!) nicht nur mutig, sondern des deutschen Theaters würdig.
Subventionierte Staatsbühnen werden sich daran messen lassen müssen. An ihrem
Engagement für die sozial Schwachen, für die Ausgegrenzten. Denn das Phänomen
ist geblieben: Immer wieder wird es elementare Kräfte im Volke geben, die gegen
Ausbeutung und Unrecht aufstehen. Ein Glück für die Gesellschaft, wenn ihr
Streit produktiv ist, nicht der Vernichtung des
Andersdenkenden gilt.
Don Camillo, von Hans-Werner Bussinger mit
umgänglicher, liebenswerter Robustheit ausgestattet, möchte dem Peppone schon sehr
gern sozusagen vernichtend an den Kragen. Aber sein oberster Chef (Stimme des
Herrn: Norbert Langer, sehr verbindlich, sehr konziliant) mahnt ihn immer
wieder zu christlicher Nächstenliebe. Zum Beispiel, wenn Peppone seinen Sohn
taufen lassen will, aber ausgerechnet auf den Namen Lenin...
Peppone ist ein zwar gewählter, aber nun
geradezu absoluter Bürgermeister, dem alle folgen, wenn er beispielsweise einen
Streik ausruft. Klaus Sonnenschein bringt als Peppone nicht nur eine füllige
Gemütlichkeit mit auf die Bühne, er hat auch die schöne selbstverständliche
Direktheit eines Sohnes aus dem Volke, eines armen Schluckers, der die ihm
zugefallene Macht gebraucht und einsetzt, so recht und schlecht er das eben
vermag.
Entscheidungen über den Streik reifen auf dem
Rummel. Don Camillo und Peppone hauen den Lukas, daß es kracht. Doch keiner
kann siegen. Jeder ist kräftig. Also gehen beide Nachts in die Ställe des
bestreikten Großgrundbesitzers Filotti (Hubertus Durek), um dessen Kühe zu
melken. Und handeln bei der Gelegenheit einen Kompromiß und das Ende des
Streiks aus.
Klaus J. Rumpf bietet eine überzeugende
Besetzung. Auch das Liebespaar: Gina, die Tochter Filottis, ist bei Verena
Marie Kahler eine temperamentvolle Schöne; Mariolino, der Sohn Bruciatas
(Rudolf W. Marnitz), eines armen Landarbeiters, ist bei Dirk Dobbrow ein
rechtschaffen treuherziger Bursche. Zu erwähnen noch: Die streitbare Ehefrau
Peppones (Luise Lunow), die barsche alte Lehrerin Signora Guiseppina (Senta
Moira) und der wahrhaft ehrgeizige, aber hilflose Camillo-Ersatz Don Pietro
(Santiago Ziesmer).
Verdient langanhaltender Beifall.
Neues
Deutschland, 23.August 1993