„Der hat uns noch gefehlt“ von Lope de Vega
in den Kammerspielen des Deutschen Theaters Berlin, Regie Katja Paryla
Sprüche, die knallen wie Raketen
Von der Meterware des Dramatikers Lope de Vega (1562-1635) - auf rund 1500 Stücke will er es gebracht haben - servierte Regisseurin Katja Paryla in den Kammerspielen des Berliner Deutschen Theaters die Comedia famosa „Der hat uns noch gefehlt!", und zwar als einen Spaß für 30 Grad im Schatten. Mit Charme und umwerfender komödiantischer Laune. Was nötig war. Denn viel dramatische Substanz ist nicht in diesem „Mantel-und-Degen-Stück", der Spezialität des klassischen spanischen Theaters. In der Fassung des Hauses (Dramaturgie Hans Nadolny) ist das Produkt des Experten für Skandale und Liebeshändel drastisch im Text, zügig in der Handlung.
Zwei Gecken umwerben Angela, die
Tochter der reichen Witwe Dona Barbara. Doch die junge Schöne mag weder den blasierten
Don Kerze (Kay Schulze) heiraten, einen verseschmiedenden Edelmann, noch den
markigen Don Las Vegas (Horst Weinheimer), einen reichen Herrn aus Amerika.
Die Schöne verknallt sich in den aufschneiderischen, dreisten Fähnrich Leonardo
(Thomas Schmidt), der sich als Sohn des Bruders der Dona ausgibt. Zu allem
Überfluß verliebt sich auch Barbara in den Lügenbold, denn noch ist sie „in
völliger Blume"!
Dem Konflikt um menschliche Liebe
und aristokratische Ehre kommt die Regisseurin bei, indem sie das Simple intelligent
forciert und den Schauspielern Gelegenheit gibt, ihr Können beredt auszuspielen.
Die Akteure beherrschen nicht nur das feinsinnig Psychologische. Sie
brillieren auch mit situationsgerechter ironischer Typisierung.
Volker Pfüller liefert den stilvollen
bühnenbildnerischen Rahmen: bunte Palmen des Südens und eine vor direkter Sonne
geschützte Hausterrasse. Uwe Hilprecht sorgt für eine musikalische Einrichtung
in spanischem Kolorit, die, flott überhaupt und lärmend gelegentlich, die
Handlung in der Art eines Musicals aufputzt. Wenn die drei Damen des Hauses,
Herrin Barbara, Tochter Angela und Dienerin Lucia ihre kecken Tänzchen
hinlegen, ahnt man, wie keß sie mit ihren Männern umspringen werden, so sie
ihnen erst einmal angetraut sind.
Am rabiatesten ist die schnippische
Lucia. Sie hat Sprüche drauf, Volksweisheiten, die knallen wie Raketen. Eva
Weißenborn kredenzt das trocken aus dem Ärmel, mit schalkhafter Hingabe. Ihren geduldigen
Verehrer, den braven Diener Lope (Horst Manz), läßt sie ungeniert zappeln. Weniger
rabiat, aber nicht minder versessen aufs andere Geschlecht, ist Dona Barbara.
Obwohl Fähnrich Leonardo zu jung für sie ist, scheut sie das Abenteuer nicht,
nimmt sie den Streit mit der unglücklichen Tochter in Kauf. Simone v.
Zglinickis Barbara weiß sich gottvoll naiv aufzuregen, aufzuplustern,
aufzubäumen, aufzublähen. Tochter Angela ist noch ganz beherrscht von der Macht
ihrer Gefühle. Ulrike Krumbiegel bringt sehr differenziert, ganz unsentimental
das in enttäuschter Liebe leidende und schmachtende Mädchen. Viel innige
Zärtlichkeit, viel deftiger Trotz.
Dann Hauptmann Fajardo, der Onkel.
Der hatte noch gefehlt! Er kommt mit seinem Sergeanten (Harry Pietzsch) nach
Madrid, in diese sündige Hauptstadt. Für Angela hat der Militär ein Herz. Er
räumt auf im Hause der Dona Barbara und läßt dabei auch Leonardos Kameraden
Beitran (Uwe Dag Berlin) nicht zu kurz kommen. Otto Mellies macht das mit gelassener
Grandezza, mit weiser Zurückhaltung.
Sehr herzlicher Beifall. Übrigens
guckt auch ein Gaul verschmitzt, als wisse er um die famose Gaukelei dieses Abends.
Neues Deutschland, 27. Juni 1994