„John Gabriel Borkmann“ von Henrik Ibsen als Gastspiel des Theaters Basel zum Berliner Theatertreffen, Regie Sebastian Nübling

 

 

 

Banker zwischen Samtgardinen

 

In der Schweiz weiß man seit eh und je Geldleute zu schätzen. Und wenn man sie kritisiert, dann doch bitte nicht so, dass gleich der ganze ehrwürdige Stand der Banker madig gemacht wird, gar am Beispiel eines einzelnen Sünders soziale Hintergründe schaubar werden könnten.

An derlei ungeschriebene Maßgabe hielt sich das Theater Basel redlich, als es Henrik Ibsens Schauspiel eines kalten Winterabends „John Gabriel Borkmann“ aufführte, in dem der Dichter die horrende Uneinsichtigkeit eines aus gutem Grund verurteilten Bankdirektors kritisch ins Bild bringt. Regisseur Sebastian Nübling versenkte die leidige Angelegenheit möglichst tief zwischen üppige Samtgardinen. Statt sozialer Anklage theaternde Mystifizierung. Derlei Vernebelung der Schuld eines Bankdirektors kommt für Berlin freilich gerade recht, wo derzeit Bankern wie ihren politischen Hintermännern alles willkommen ist, was von Verantwortung ablenkt.

Da krächzen und kreischen zwei seltsame Gestalten an Krückstöcken, zuweilen hockend, zuweilen umständlich herumstakend und dabei ausschauend wie zwei hässliche Spinnen. Es sind die Zwillingsschwestern Gunhild Borkmann (Katharina Schmalenberg) und Ella Rentheim (Silvia Fenz), die einen erbitterten Streit um John Gabriel Borkmanns Sohn Erhart (Roberto Guerra) führen. Unterbrochen wird ihr Gekreisch vom Rumoren des Herrn Borkmann, der in seinem selbst gewählten Hausarrest grimmig gegen das Schicksal stampft.

Den Ort gibt das Bühnenbild Muriel Gerstners allerdings nicht vor, weder den altertümlichen Festsaal, in dem Borkmann haust, noch das Wohnzimmer des Familiengutes, in dem sich die Schwestern streiten. Man vermutet eher die mit dunkelrotem Tuch weich ausgekleidete Kammer eines Irrenhauses; denn die sich da gebärden, scheinen allesamt irre zu sein. Oder es sind tapfere, verzweifelt um ihre spärliche Gage spielende Mimen eines Wandertheaters aus dem vorigen Jahrhundert. Gesprochen wird allerdings exzellent, das sei ausdrücklich angemerkt. Besonders Norbert Schwientek, der den Borkmann macht, bringt wenigstens über den Text ein wenig Ibsen ins Spiel.

Aber auch Schwientek ist zu seltsamem Agieren veranlasst. Keine reale Figur, aber der mobile Titelheld. Er stapft immer mal wieder kraftprotzig selbstbewusst wie ein vorzeitig in Rente geschickter, enttäuschter Ringer herum. Der rechtens verurteilte ehemalige Bankdirektor, der sich nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis der Wirklichkeit entzogen hat, glaubt ja noch immer, Recht zu haben. Und Regisseur Sebastian Nübling bemüht sich, die störrische Borniertheit dieses Herrn ästhetisch zu legitimieren: Da ist einer, der ungebrochen zu seiner Sache steht und wacker auf bessere Tage hofft! Und als ihn die Winterkälte dahinrafft, in die er sich in seiner grenzenlosen Selbstüberhebung begeben hat, versammelt sich die bucklige Verwandtschaft so prompt wie andächtig zur ihn verehrenden Totenklage.

Reaktionäres Theater. Möglichst schnell vergessen!