„Adam und Eva“ von Michail Bulgakow an den Städtischen Theatern Karl-Marx-Stadt, DDR-Erstaufführung, Regie Reinhard Hellmann

 

 

 

Adam und Eva als Vorfahren von Glasnost

 

Die Städtischen Theater Karl-Marx-Stadt zeigen ein Stück Glasnost aus dem Jahre 1931. Es ist die Sozialgroteske „Adam und Eva", die Michail Bulgakow (1891 bis 1940) damals für die Schublade schrieb. 1987 endlich konnte das Stück in Moskau uraufgeführt werden. Jetzt besorgte Gastregisseur Reinhard Hellmann die DDR-Erstaufführung.

Adam und Eva, jung und verliebt, wollen gemeinsam zum Grünen Kap ans Schwarze Meer. Aber es kommt alles ganz anders. Akademiemitglied Professor Jefrossimow flüchtet zu ihnen ins Zimmer, bestrahlt sie mit einem Wunderapparat, mit dem der Mensch gegen Giftgas immunisiert werden kann. Der Pazifist Jefrossimow wird verfolgt, weil er seine Erfindung allen Staaten der Welt anbieten will. Er hofft, so einen drohenden Vernichtungskrieg gegen die UdSSR verhindern zu können.

Doch urplötzlich ist Krieg. Eine Gaswolke zerstört alles Leben. Nur Adam und Eva kommen davon, auch der Professor, und der Schriftsteller Pontschik-Ohnesieg, der zufällig mitbestrahlt worden war. Daragan, ein Flieger, und Markisow, ein aus der Gewerkschaft ausgeschlossener „Rowdy", können gerettet werden.

Die Überlebenden sind nicht fähig, irgendwie neu anzufangen. Sie denken und handeln in dogmatischen Kategorien weiter. Adam, Parteimitglied, der „erste Mensch" in der Stadt, übernimmt die Macht. Es kommt zu einer bösen Attacke auf Jefrossimow, der als Faschist verurteilt werden soll. Eva setzt sich für ihn ein. „Ich begreife auf einmal", sagt sie, „daß der Wald und die zwitschernden Vögel und der Regenbogen real sind, aber ihr mit eurem wahnsinnigen Geschrei, ihr seid irreal!"

Gipfel der Groteske: Nicht kommunistische Fanatiker siegen, wie Pontschik-Qhnesieg annimmt. Der vom Erkundungsflug zurückkehrende Daragan repräsentiert inzwischen eine andere Macht — die, die die Menschheit organisieren. Sie scheinen reich zu sein, denn sie kommen mit einem gewaltigen Luftschiff. Ihnen darf des Professors Genie jetzt dienen ...

Obwohl der Text überraschend viele, teils betroffen machende Bezüge in unsere unmittelbare Gegenwart bietet, spekuliert Hellmann nicht darauf. Er bleibt im Spiel historisch und findet Geste und Ton für den gepfeffert kritischen Expressionisten Bulgakow, für dessen naiv-komische, hintersinnige Mischung von Entsetzen und Trivialität. Gut unterstützt wird er vom Ausstatter. Volker Walther nahm des Autors Hinweise für die Örtlichkeiten zwar nicht auf, aber seine ins Haus rasende führerlose Straßenbahn, später Zufluchtsort der Überlebenden, gibt der bewegten Szene ein Zentrum. Allerdings verzichtet Hellmann auf das „gewaltige Luftschiff". Dafür scheint seine „neue Macht" recht militant zu sein.

Überzeugend Wolfgang Sörgel als Jefrossimow, ein liebenswürdiger, fahriger alter Herr mit struppig-aufgelöstem Haar. Gitta Schweighöfers Eva geriet etwas glatt — wie ihr weißes Festkleid, das über alle Katastrophen hinweg jungfräulich sauber bleibt. Sebastian Kowskis Adam ist ein braver Bursche trotz bornierter Ansichten. Den wendehalsigen Schriftsteller zeichnet Bernd Herold ironisch genau. Sven Martinek gibt den Fanatiker Daragan, Gerhard Hähndel den lausigen Markisow.

Allerhand und verdienter Beifall zur Premiere.

 

 

Neues Deutschland, 17. April 1990